Meinung

Schlapphüte fordern per Bild-Zeitung mehr Geld – und zetteln einen internen Krieg an

Zwei ehemalige BND-Präsidenten melden sich in der Bild zu Wort und liefern eine ganze Liste von Forderungen. Damit es für das Publikum nicht zu öde wird, wollen sie unter anderem den MAD übernehmen. Zumindest das könnte unterhaltsam werden.
Schlapphüte fordern per Bild-Zeitung mehr Geld – und zetteln einen internen Krieg an© Jan Kleihues, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Von Dagmar Henn

Man könnte meinen, der BND wittert eine günstige Gelegenheit, sein Budget aufstocken zu lassen. Schließlich hat man nicht umsonst das weltweit zweitgrößte Verwaltungsgebäude nach dem Pentagon mitten in Berlin errichten lassen; ein solches Monster mit Leben zu füllen, geht nicht ohne entsprechendes Budget.

Aber das ist nicht die ganze Wunschliste, die zwei ehemalige BND-Präsidenten am Wochenende per Bild überreichten. Ganz nebenbei sieht es so aus, als wollten sie im jahrzehntealten Konflikt mit dem MAD endlich den Sieg erringen und den Konkurrenten schlucken.

Was waren das für Zeiten, zu Beginn der 1990er, als der ganze Dienst verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Aufgabe war, nachdem die alte abhanden gekommen war. "Organisierte Kriminalität" war die erste Idee; dann kam zum Glück 9/11, und man konnte das durch "internationalen Terrorismus" ersetzen. Man muss schon sagen, allein die Tatsache, dass in diesem Zeitraum dennoch dieser gigantische Bau in Berlin durchgesetzt wurde, spricht Bände über den politischen Einfluss der einstmals Pullacher Schlapphüte.

Sie würden gar so furchtbar kontrolliert, klagen die zwei Ex-Präsidenten August Hanning und Gerhard Schindler. Und sie liefern den Lesern ihres Bild-Kommentars eine Liste, auf der sie fiskalische und inhaltliche Kontrolle wild durcheinanderwerfen, indem sie so tun, als würde der Bundesrechnungshof sie irgendwie inhaltlich beschränken. Das tut er nicht, aber selbstverständlich gelten auch für den BND die Regeln, die für alle Institutionen gelten, die mit Steuergeldern betrieben werden, und dazu gehört auch die Aufsicht durch den Bundesrechnungshof.

"Die G10 Kommission zur Überwachung der Funkaufklärung des BND" ist noch eine nette Formulierung, die nur bei jenen funktionieren kann, die das Grundgesetz nicht gut genug kennen, um zu identifizieren, was mit G10 gemeint ist. "Funkaufklärung" ist in diesem Zusammenhang nämlich ein klein wenig irreführend. Dabei stellt sich jeder große Antennen vor, mit denen man versucht, in einen gegnerischen Funk hineinzulauschen.

Artikel 10 des Grundgesetzes lautet aber:

"(1) Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletztlich. (2) Beschränkungen dürfen nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden."

Die Aufgabe der G10-Kommission ist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Telefonüberwachung im Inland. Eine Tätigkeit, bei der übrigens die Bundesrepublik viele Jahrzehnte lang den Weltrekord hielt, noch vor den berüchtigten US-Diensten. Das, was da wirklich überwacht wird, ist kein Funk, sondern die ganz normale alltägliche Kommunikation der meisten Bundesbürger. Seit Edward Snowden ist bekannt, dass der Frankfurter Netzknoten komplett überwacht wird; nachdem Festnetztelefonate heute als Voice over IP laufen, landen die alle im Abhörnetz. Funküberwachung gibt es nur im Zusammenhang mit Mobiltelefonen, die man nicht ganz so automatisch abfischen kann, und offenkundig hätten die Herren in dem Bereich gern mehr Zugriff, auch wenn deutsche Gerichte ohnehin für ihren großzügigen Umgang mit Abhörgenehmigungen bekannt sind.

"Neue Rechtsgrundlagen für die Funkaufklärung" beim Abhörweltmeister? Das ist dann wirklich dreist und rechnet damit, dass das Publikum über den wirklichen Eifer in diesem Bereich nicht informiert ist. Wahrscheinlich träumen sie von einer neuen KI, die nicht nur auf Stichworte hin die Aufzeichnung aktiviert, sondern auch Umschreibungen dieser Stichworte identifizieren kann. Politisch sinnvoller wäre es, die Hintertüren für die US-Dienste zu schließen, die von dieser Überwachungsorgie mit profitieren. Aber die Pipelinesprenger sind ja die Freunde.

Übrigens, um die Tätigkeit der Firma, die jene beiden Herren einmal leiteten, wirklich einschätzen zu können, bräuchte die Öffentlichkeit Zugang zu den alten Akten. Bei der CIA kann man sie lesen, in großen Teilen sogar online. Als in Deutschland eine Variante des Information Freedom Acts eingeführt wurde, gelang es den deutschen Diensten, alle ihre Akten davon auszunehmen. Weder die Akten des Verfassungsschutzes noch die des BND noch die des MAD werden jemals freigegeben. Was zu einem kleinen Nebengedanken führt: Wenn die CIA, die bekanntlich eine Menge Leichen im Keller hat, dennoch nach 25 Jahren die meisten Akten freigibt, die deutschen Dienste aber nach wie vor Unterlagen eingemauert halten, die 70 Jahre alt sind, wie viele Leichen müssen dann in deren Kellern liegen? Es gibt nur genau zwei Gründe, warum die Einsicht nach wie vor verweigert wird: Der erste ist, dass wahrscheinlich die ganze "Stasi, Stasi"-Propaganda wie eine Seifenblase zerplatzen würde, würde bekannt und belegbar, was das westliche Gegenstück so trieb (Post aus der BRD in die DDR z. B. wurde bekanntlich zweimal gelesen), der zweite: Die Menge der im Keller liegenden Leichen ist so überwältigend, dass das die Republik in den Grundfesten erschüttern würde.

"Politik und Gerichte dürfen Nachrichtendienste nicht länger als Bedrohung für die Rechte deutscher Bürger verunglimpfen."

Das ist wirklich ein interessanter Satz. Schon, wenn man sich die Sache mit der Gewaltenteilung ins Gedächtnis ruft. Nachrichtendienste sind Teil der Exekutive, und hier erklärt ein Teil der Exekutive, er werde durch die Legislative (die Politik) und die Judikative (die Gerichte) "verunglimpft".

Es passt natürlich zu der vorhergehenden Klage über die unmäßige Kontrolle, die ausgeübt werde. Die, das sollte man auch anmerken, reichlich zahnlos ist, verglichen mit ihren US-amerikanischen Gegenstücken, nicht nur wegen des kastrierten Informationsfreiheitsgesetzes. Aber die beiden älteren Herren wünschen sich im Kern eher so etwas wie das RSHA, das Reichssicherheitshauptamt der Nazis. Sie wollen gleich über allem stehen, denn "Nachrichtendienste müssen viel mehr als unverzichtbarer Bestandteil unserer Sicherheitsarchitektur akzeptiert und behandelt werden. Dies muss nicht nur für die Politik, sondern auch für das Bundesverfassungsgericht gelten". Das sind schon durchaus neue Töne, dem ohnehin handzahmen Verfassungsgericht auch noch vorgeben zu wollen, es müsse freundlicher zu den Diensten sein und sich nicht so haben mit diesen popeligen Grundrechten.

Wirklich spannend ist es dann dort, wo es konkret wird (und da wird man abwarten können, ob der innere Gegner in den nächsten Tagen kontert, ehe er verfrühstückt wird): Die Herren wollen nicht nur mehr Geld für das Berliner Monster und modernere Technik (ist der Serverpark im Berliner Keller wirklich bereits veraltet?), sie wollen eine "Bündelung der technischen Fähigkeiten" in einer neuen Behörde (die dann zu einer BND-Filiale wird), und sie wollen eine Änderung der Zuordnung auch für den BND; er soll nicht mehr beim Bundeskanzleramt angesiedelt sein, sondern beim Verteidigungsministerium.

Das hat bekanntlich seinen eigenen Nachrichtendienst, den MAD, der wiederum jahrzehntelang versucht hat, eine eigene Auslandsaufklärung aufzubauen. Als noch die großen Radarstationen betrieben wurden, die die Länder des Warschauer Vertrags überwachten, lieferten sich die beiden konkurrierenden Dienste legendäre Gefechte darum, wer wie viel wohin lauschen durfte. Sie mussten die Stationen nämlich gemeinsam betreiben. Und wie jeder weiß, der US-Fernsehserien kennt und weiß, was dort passiert, wenn unterschiedliche Dienste wie, sagen wir mal, FBI und CIA aufeinanderprallen, ist das Verhältnis zum geopolitischen Gegner weitaus freundlicher als das zu den Konkurrenten am heimischen Fressnapf, und das verhält sich in Deutschland kein bisschen anders.

Während also an der Oberfläche betont wird, man müsse von Beschränkungen befreit werden, beispielsweise beim Anwerben von Quellen, ist das, was darunter geschieht, ein Versuch, sich endlich die anderen Dienste unterzuordnen. Zuerst einmal den MAD, mit dem man ohnehin noch eine Rechnung offen hat wegen der Versuche bei der Bundeswehr, dann aber auch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Und was bedeutet diese Mischung, wenn sie umgesetzt wird? Eben, genau die Verknüpfung von Diensten, die man nach 1945 tunlichst vermeiden wollte.

Wobei das wirkliche Problem der deutschen Dienste ungefähr dem Problem der deutschen Medien entspricht, und das lässt sich weder mit mehr Geld noch mit einer Zentralisierung noch mit Dutzenden taufrischen Servern im Keller des Berliner Büromonsters beheben. Es ist auch keine Frage der Quellen. Die beiden Herren sollten einmal Larry Johnson lauschen, der das Problem ziemlich präzise analysiert. Es gibt nämlich immer zwei entscheidende Schwachpunkte bei solchen Diensten. Der erste ist die Qualität der Analyse, die interessanterweise desto höher ist, je weniger stromlinienförmig die Analytiker sind; und das zweite ist das Dilemma, dass wichtige Wahrheiten in der Regel politisch nicht durchdringen können (was dann zu Ereignissen wie den Pentagon Papers führt).

Gäbe es eine vernünftige Analyse, wäre klar, dass eigentlich die Entwicklung einer Strategie für die Zeit nach dem Ende des US-Imperiums angesagt ist. Es ist nicht das Wissen um die Wagner-Gruppe, das entscheidend ist; es ist das Wissen um die politische Stimmung in Ländern wie Indien, Brasilien oder Nigeria. Das Problem: Um diese Stimmung bewerten zu können, muss man sich mit dem Volk gemein machen und darf nicht hinter den Mauern des Botschaftsviertels verweilen oder sich in der Blase der westlichen Vertreter bewegen. Aber nichts symbolisiert das Verhältnis der staatlichen Institutionen des Westens zum globalen Süden besser als die kürzlich von Martin Sonneborn erwähnte Tatsache, dass dessen Vertreter, wenn sie die EU besuchen, durch den Dienstboteneingang geschickt werden.

Menschen, die man sich wahrzunehmen weigert, kann man nicht verstehen. Eine Annalena Baerbock extrapoliert auf das gesamte Auswärtige Amt ist eine Garantie für Blindheit, und die Residenten sind keinen Deut besser als der Rest. Was die beiden älteren Herren mit Sicherheit wissen.

Aber auch sie agieren nicht im Interesse des Landes, das ihre beträchtlichen Pensionen finanziert, sondern, wenn überhaupt, im Eigeninteresse des Apparats, den sie einmal leiteten. Also versuchen sie, mehr Geld, mehr Personal, mehr Macht und mehr Befugnisse für diesen Apparat herauszuholen, wohl wissend, dass er an seiner eigentlichen Aufgabe, der Regierung ein realistisches Bild der tatsächlichen Entwicklung zu vermitteln, gleich aus vielen Gründen scheitern muss, nicht zuletzt, weil diese Bundesregierung ein Begreifen verweigern würde, selbst wenn sie die Wahrheit präsentiert bekäme, was selbst wiederum äußerst unwahrscheinlich ist. Man kann sich bildlich vorstellen, wie bei einer Aufklärung über die Täterschaft bei der Sprengung von Nord Stream das gesamte Bundeskabinett am Tisch sitzt, sich die Ohren zuhält und ganz laut "la la la la la" ruft. Das ist im Grunde eine Lage, in der man einen Nachrichtendienst gleich auflösen könnte.

Da aber die beiden Herren vermutlich ebenso talentiert in der Verleugnung der Wirklichkeit sind wie die politische Führung des Landes, versuchen sie, die Gelegenheit für einen kleinen Handstreich zu nutzen, der ganz nebenbei noch ein paar Restbestände politischer Rechte für Hinz und Kunz mit entsorgt. Vielleicht sollte ihnen mal jemand sagen, dass das ganze RSHA am Ende nichts genutzt hat. Und noch einmal wird es keinen Herrn Gehlen geben, der mit einer Kiste gefälschter Dokumente der ganzen zweiten Garnitur den Hals rettet.

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