Russland

So funktioniert die russische Verteidigung gegen Kiews Großoffensive

Den Truppen Kiews ist bislang kein erheblicher Fortschritt bei ihren unzähligen Vorstoßversuchen gelungen. Alexander Männer analysiert, wie Russland die Verteidigung organisiert hat, die bisher der ukrainischen Großoffensive standhält.
So funktioniert die russische Verteidigung gegen Kiews GroßoffensiveQuelle: Sputnik © RIA Nowosti

Von Alex Männer

Mehr als drei Wochen nach Beginn der ukrainischen "Großoffensive" gegen die russischen Streitkräfte haben die Ukrainer nach wie vor erhebliche Probleme, gegen die Verteidigung der Russen anzukommen. Denn wie bislang deutlich wurde, gelang den Truppen Kiews kein erheblicher Fortschritt bei ihren unzähligen Vorstoßversuchen.

Stattdessen erkennen immer mehr Medien, Experten und andere Beobachter weltweit die russischen Erfolge an der Donbass- und der Saporoschje-Front an, wo es seit Anfang Juni beinahe täglich massive ukrainische Angriffe gab. In diesem Zusammenhang werden vor allem der erbitterte Abwehrkampf der russischen Armee und ihre erfolgreiche Verteidigungstaktik hervorgehoben. Allem Anschein nach sei diese optimal an die offensiven Kampfhandlungen der Ukrainer angepasst worden, heißt es unter anderem, wobei die zentrale Rolle diesbezüglich der russischen Verteidigungslinie zugeschrieben wird.

Wie Russlands Militärexperten anführen, handelt es sich dabei um ein groß angelegtes und über mehrere Monate hinweg gebautes Verteidigungssystem, das Dutzende Kilometer in das Hinterland reicht und aus zahlreichen Feuerstellungen, militärischen Befestigungen sowie unzähligen Minenfeldern besteht. Zudem umfasst es ein gut ausgebautes Transport- und Logistiknetz, dessen Knotenpunkte und Nachschubbasen es den russischen Truppen ermöglichen, ihre Reserven über relativ kurze Routen von einem Punkt zum anderen zu verlegen, ohne die Kampfkraft der Einheiten an der vordersten Kampflinie zu beeinträchtigen. Falls es also notwendig sein sollte, die Kampfkraft an einem bestimmten Frontabschnitt zu stärken, können Soldaten, Kriegsgerät, Munition und Treibstoff schnell dorthin transportiert werden.

Des Weiteren stützt sich dieses Verteidigungssystem auf große Verbände von Artillerie und Luftwaffe, die in der Lage sind, mit ihren Mehrfachraketenwerfern, den mit Lenkwaffen ausgestatteten Kampfhubschraubern sowie den Kampfjets, die neben Raketen auch Lenkbomben abwerfen können, entscheidend in das Kampfgeschehen einzugreifen.

Dank ihrer Überlegenheit in der Luft verwenden die russischen Flieger dabei die sogenannte "Karussell-Taktik" – ein effektives Einsatzprinzip, dessen sich als Erstes die russischen Panzereinheiten bedienten. Die Luftwaffe geht im Grunde ähnlich vor: Kampfhubschrauber und/oder Bomber wechseln sich bei den Einsätzen ab und nehmen die gegnerischen Bodentruppen quasi nacheinander unter Beschuss. Während also ein Paar oder eine Gruppe von diesen Maschinen am Kampfgeschehen teilnimmt, können die anderen Einheiten zum Nachtanken und Aufmunitionieren zur Basis zurückfliegen, sodass ein ununterbrochener Abwehrkampf aus der Luft über eine längere Phase stattfindet. Damit sollen übrigens zuvor schon mehrfach Durchbrüche der russischen Linien verhindert worden sein.

Zugleich zeige Kiews Offensive, so die Experten, dass die vorrückende ukrainische Armee den Luftangriffen praktisch nichts entgegenzusetzen habe, da ihre Luftabwehrsysteme sich meist tief im Hinterland befinden oder nur sehr begrenzt nahe der Frontlinie eingesetzt werden sollen. Deshalb haben die Russen bislang sowohl ukrainische Kommandoposten als auch Kriegsgerät massenweise zerstören können, wodurch sich das Tempo der Offensive erheblich verlangsamte.

Nach dem ursprünglich gewählten Tempo beziehungsweise der Dynamik der Offensive zu urteilen, wollten die Ukrainer einen schnellen Durchbruch der russischen Verteidigungslinie erreichen. Dazu wurde eine Reihe von Ablenkungsmanövern entlang der gesamten Front und ein Hauptangriff unternommen. Diesem Plan haben die Russen jedoch eine Kombination aus der sogenannten "beweglichen Verteidigung" und  einem koordinierten sowie sehr intensiven Artilleriekampf entgegengesetzt, was ihnen bislang den Erfolg garantiert, meint der bekannte russische Militärexperte Alexei Leonkow.

Ihm zufolge wird die bewegliche Verteidigung durch relativ kleine und mobile Einheiten umgesetzt, die taktischen Reserven Moskaus hingegen haben bislang nicht in die Kämpfe eingegriffen. Außerdem wird anhand mehrerer ukrainischer Angriffe an der Saporoschje-Front deutlich, dass die russischen Truppen sich im Kampfverlauf nicht an jeden Zentimeter der jeweiligen Ortschaft klammern und sich notfalls auf eine andere Verteidigungsstellung zurückziehen. Wenn das passiert, nimmt die gut koordinierte russische Artillerie den vorrückenden Gegner an dieser Stelle unter gezielten Beschuss, auf den ein Gegenangriff der Russen folgt, mit dem Ziel, den Gegner zurückzudrängen und die vorherige Position wieder unter die eigene Kontrolle zu bringen.

Offenbar scheint diese Taktik nach wie vor aufzugehen, was wohl dafür spricht, dass die Gegenmaßnahmen der ukrainischen Streitkräfte entweder unwirksam oder unzureichend sind.

Insofern kann man nach unzähligen Angriffen der Ukrainer konstatieren, dass die besagte "Großoffensive" ihre Ziele bislang verfehlt hat und sich ausschließlich in der "grauen Zone" abspielt – das heißt in der Zone, die weder von der einen noch von der anderen Seite kontrolliert und auch nicht der russischen Verteidigungslinie zugeordnet wird. Diese Linie können die ukrainischen Soldaten meist auch kaum erreichen, da praktisch jeder ihrer Vorstoßversuche zu Artillerie- und Luftangriffen der Russen führt, wonach sich die ukrainischen Truppen zurückziehen und für einen neuen Angriff neu gruppieren müssen.

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