Russland

Kalenderblatt: 80 Jahre sowjetische Gegenoffensive in der Schlacht um Moskau

Am 5. Dezember 1941 begann die sowjetische Gegenoffensive in der Schlacht um Moskau. In Unterzahl, aber hoch motiviert, warf die Rote Armee die Wehrmacht vor den Toren der sowjetischen Hauptstadt zurück. Einen weiteren Versuch, Moskau einzunehmen, hat die Wehrmacht nicht mehr unternommen.
Kalenderblatt: 80 Jahre sowjetische Gegenoffensive in der  Schlacht um MoskauQuelle: Sputnik © APN Novosti

Der größte russische Dichter Alexander Puschkin fragte sich im unvollendeten Kapitel seines Versromans "Eugen Onegin", wodurch man im russisch-französischen Krieg des Jahres 1812 hat siegen können: 

"Wer half uns damals? 
Des Volkes Wut, Barclay, 
Der Winter oder unser Gott?

Damals gelang es Napoleon, wie 200 Jahre vor ihm der polnischen Armee, Moskau einzunehmen. Doch sein Triumph war von kurzer Dauer: Versorgungs- und Nachschubprobleme, unendliche Scharmützel mit Partisanen und die sture Verweigerung jeglicher Verhandlungen seitens des Zaren zwangen den selbsternannten Kaiser zum verhängnisvollen Rückzug. Nicht ohne sich zuvor am widerspenstigen russischen Geist kleinlich zu rächen und den Kreml den Flammen preiszugeben. 

Die Zeitgenossen empfanden den Rückzug der Grande Armée als ein Wunder. Zumal, drücken wir auch dies mit den Worten Puschkins aus:

"Doch etwas half, der Unmut wurde leiser,
Und bald schon trug der Lauf der Dinge,
Uns triumphierend nach Paris hinein...
"

Der erste Wendepunkt im deutsch-sowjetischen Krieg

Fatalismus gehört zu den Zügen des russischen Charakters und so rechneten im Oktober und November 1941 viele damit, dass sich die Geschichte zum nunmehr dritten Mal wiederholen würde: erneuter Fall Moskaus und DANACH das Wunder, herbeigeführt – frei nach Puschkin – durch die Erbitterung des Volkes, durch Shukow, den Winter oder Gott.

Es ist einer der größten Irrtümer der deutschen Geschichtsschreibung, solch eine – der Wehrmacht knapp entglittene – Einnahme Moskaus mit einem Sieg über die Sowjetunion gleichzusetzen. Sicher wäre der Verlust Moskaus eine schwere taktische Niederlage für die UdSSR gewesen, nicht zuletzt wegen der logistischen Bedeutung Moskaus. Die Moral des Volkes wäre jedoch nicht so nachhaltig gebrochen worden, wie es sich Hitler und seine Generäle erhofften: Mit zwei Beispielen aus der eigenen Geschichte im Rücken war man auf den Fall Moskaus mental vorbereitet. In jeder anderen Hinsicht sowieso: Der neue Regierungssitz in Kuibyschew (dem heutigen Samara), wie auch Verteidigungsstellungen an der Wolga waren bereits vorbereitet. Von dort wären die immer neuen Mobilisierungswellen gesteuert worden, die der Wehrmacht das Rückgrat brachen, wie in den Jahrhunderten zuvor schon den polnischen und französischen Eroberern. 

Der schwärzeste Tag von Moskau

Als schwärzester Tag Moskaus im 20. Jahrhundert gilt der 16. Oktober 1941. Damals schien der Fall Moskaus genauso sicher wie 1612 und 1812. Es war der einzige Tag in der Geschichte der Moskauer Metro, an dem ihre Tore verschlossen blieben. Wenige Tage zuvor erlitt die Rote Armee eine ihrer schwersten Niederlagen im 2. Weltkrieg: Von den deutschen Truppen eingekesselt, verlor sie bei Wjasma (keine 100 Kilometer vor den Toren Moskaus) 660.000 Soldaten, 1.242 Panzer, 5.412 schwerer Geschütze, ganze fünf Armeen. Marschall Shukow, eiligst aus dem soeben stabilisierten Leningrad herbeigerufen, meldete dem Kreml, dass mit dem Erscheinen deutscher Panzer in Moskau jederzeit zu rechnen sei. Zwischen der immer näher vom Westen, Nordwesten, Südwesten und Süden heranrückenden Front und der Stadt befanden sich praktisch keine sowjetischen Verbände mehr.

Kolonnen von Flüchtlingen blockierten die breiten Ausfallstraßen, es kam zu Unruhen und vereinzelten Plünderungen. Gerüchte machten den Umlauf, Stalin habe die Stadt verlassen. Und so weit von der Wahrheit entfernt waren diese Gerüchte nicht einmal: Tatsächlich befanden sich große Teile des Regierungsapparates bereits in Kuibyschew oder zumindest auf dem Weg dorthin. 

Nicht aber Stalin. Als dies bekannt wurde, wendete sich das Blatt. Arbeiter stoppten die Evakuierungskolonnen, zwangen die mit persönlichem Hab und Gut flüchtenden Direktoren in die Fabriken zurück. Nicht ohne Anwendung proletarischer Fäuste. Am nächsten Tag war das Leben so normal, wie es nur sein konnte. Die Metro fuhr wieder. Man bereitete sich konzentriert auf die Verteidigung der Stadt vor, erfüllte täglich das Plansoll oder half bei der Errichtung der Verteidigungslinien. Wahrscheinlich war dies der Wendepunkt, der das russische Wunder des Jahres 1941 zu einem größeren werden ließ als die Auferstehungswunder von 1612 und 1812: Dieses Mal wird Moskau nicht fallen. 

Unter dem Schutzschirm heiliger Fürsten und unter Lenins Banner

Nicht umsonst appellierte Stalin in seiner Ansprache an die legendäre Parade am 7. November an die jedem Russen heiligen Feldherren der russischen Geschichte, darunter an die Helden von 1612, den Händler Minin und den Fürsten Posharskij, und an den Feldherren des Jahres 1812, Kutusow.  

"Die Lage unseres Landes heute ist weitaus besser als vor 23 Jahren. Unser Land ist reicher als vor 23 Jahren: Wir haben Industrie, Lebensmittel und Ressourcen. Wir haben diesmal Verbündete, die mit uns zusammen die Front halten gegen die deutschen Eroberer. Die Sympathie und die Unterstützung der Völker Europas, die unter das Joch der Tyrannei Hitlers gefallen sind, gelten uns. Wir haben diesmal eine wunderbare Armee und eine wunderbare Flotte, die mit ihrer Brust die Freiheit und Unabhängigkeit unseres Landes verteidigen. Wir haben keinen ernsthaften Mangel bei Verpflegung, Ausstattung, Waffen. Unsere menschlichen Ressourcen sind unerschöpflich.

Wie kann es da auch nur den geringsten Zweifel daran geben, dass wir die deutschen Eroberer besiegen müssen und besiegen werden?!"

(Aus der Rede Stalins am 7. November 1941) 

Motivation und Geschichtsbewusstsein machten den Unterschied

Die so motivierten Truppen füllten – gleich einem endlosen Strom beim Frühlingshochwasser – die Ebenen um Moskau. Noch rollten die deutschen Panzer voran. Am 27. November betrug die Entfernung zwischen der 7. Panzerdivision der Wehrmacht und dem Kreml 35 Kilometer. Stalin verlangte von Shukow eine "ehrliche Antwort, die eines Kommunisten", ob Moskau militärisch überhaupt zu halten sei. Shukow antwortete, dass dies möglich sei, dass er dafür aber zusätzliche Reserven brauche.

Er erhielt seine Reserven, die seit Kriegsbeginn aufgebauten und sorgsam gehüteten, aus denen die 1. Sturmarmee und die 20. Armee des späteren Verräters Wlassow gebildet wurden. 

Zwischenzeitlich begann der deutsche Vormarsch im Norden und Süden, die patentierte deutsche Zangenbewegung, durch erbitterten Widerstand sowjetischer Truppen ins Stocken zu geraten. Wie von Shukow vorhergesehen, unternahm die deutsche Führung nun einen direkten Vorstoß vom Westen auf Moskau. Und hier griffen nun die 1. Sturmarmee und die 20. Armee in das Geschehen ein: Deren Gegenstoß warf die Verbände der Wehrmacht noch hinter ihre Ausgangsstellungen zurück. Das Blatt begann sich zu wenden. 

Shukow braucht Reserven

Am 5. Dezember vor 80 Jahren schließlich begann eine neue Phase der Schlacht um Moskau. Wenn schon die zwei Reservearmeen, die Shukow sich bei Stalin aushandeln konnte, der Wehrmacht so stark zusetzten, dann war es Zeit für einen Gegenschlag. Eiligst wurden aus allen Landesteilen verfügbare, frische Verbände nach Moskau beordert: eine weitere Armee, die 10., sowie 9 Schützen- und 2 Kavallerie-Divisionen, 6 Panzerbrigaden und allerlei kleinere Verbände: Motiviert, voll besetzt und bewaffnet.

Insgesamt erreichte die sowjetische Truppenstärke um Moskau Anfang Dezember 1,1 Millionen Mann, 7.652 Geschütze und 774 Panzer. Die Wehrmacht war zwar auch jetzt stärker, sie verfügte vor Moskau über 1,7 Millionen Mann, 13.500 Geschütze und 1.170 Panzer. Unter normalen Bedingungen ist eine Gegenoffensive unter solchen Verhältnissen ein Himmelfahrtskommando. Aber Shukow verschätzte sich nicht: Motivation und Frische kompensierten das, was ihm an Quantität fehlte. 

Von Moskau bis Berlin 

Den Rest kennt auch jeder Deutsche: Die erste Katastrophe der bis dahin keine Niederlage kennenden Wehrmacht. Um mindestens 100 Kilometer zurückgeworfen, gab es im weiteren Verlauf keinen weiteren Versuch der Deutschen mehr, der sowjetischen Hauptstadt gefährlich zu werden. Nicht einmal Bombardements kannte Moskau seitdem noch. 

Und die Rote Armee hatte ab sofort die Gewissheit eines erneuten und noch größeren  Wunders, als jener Wunder von 1612 und 1812. Zweifler gab es keine mehr. Und ob es nun die Wut des Volkes, Shukow, der Winter oder der Gott der Russen waren, die das Wunder ermöglichten, ist letztlich auch egal. Wahrscheinlich war es von allem etwas. 

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