Meinung

Die USA sind für den Tod von Gonzalo Lira in einem ukrainischen Gefängnis verantwortlich

Gonzalo Lira ist in einem ukrainischen Gefängnis gestorben. Diese Travestie der ukrainischen Justiz zu betrachten ist wichtig, nicht zuletzt deshalb, weil sie die erklärte Politik der US-Regierung diskreditiert, angeblich immer allen ihren Bürgern zu helfen, die im Ausland inhaftiert werden.
Die USA sind für den Tod von Gonzalo Lira in einem ukrainischen Gefängnis verantwortlich© Screenshot: Youtube / Gonzalo Lira

Von Andrew Korybko

Der amerikanisch-chilenische Doppelbürger Gonzalo Lira ist vergangene Woche an einer Lungenentzündung in einem ukrainischen Gefängnis verstorben, nachdem er inhaftiert worden war, weil er die ukrainischen Behörden öffentlich kritisiert und angeblich die "russische Aggression" gerechtfertigt hat. Vergangenen Sommer versuchte er aus dem Land zu fliehen, nachdem er vorübergehend freigelassen worden war. Für diesen Vorfall ist die US-Regierung verantwortlich, da sie ohne Weiteres seine Freilassung hätte erreichen können, wenn einer ihrer Vertreter den politischen Willen dazu gehabt hätte. Sie entschieden sich jedoch dafür, ihn dahinsiechen und schließlich sterben zu lassen.

Vor seinem letzten Verschwinden im vergangenen Sommer prophezeite Lira, dass er wahrscheinlich sterben werde, wenn man ihn beim Versuch erwischen sollte, die ungarisch-ukrainische Grenze zu überqueren – was letztendlich auch geschah. Zuvor hatte er behauptet, dass die Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten, Victoria Nuland, die für die Schande des "Euro-Maidan" verantwortlich ist, ihn persönlich abgrundtief hasse. Das erklärt wahrscheinlich, warum US-amerikanische Offizielle nicht versucht haben, die Freilassung eines inhaftierten US-Bürgers im Ausland zu erreichen, obwohl sie dies für jeden anderen getan hätten und die Mittel dazu hatten, dies durchzusetzen, sofern sie es gewollt hätten.

Tatsache ist, dass es offizielle US-Politik ist, im Ausland inhaftierte US-Bürger mit allen Mitteln zu unterstützen und so hart wie möglich auf deren Freilassung hinzuarbeiten – insbesondere wenn es sich bei der mutmaßlichen "Straftat" um etwas handelt, das auch nur entfernt mit der Ausübung von Meinungsfreiheit zusammenhängt. Der Fall von Gonzalo Lira wäre dafür ein Paradebeispiel gewesen, wenn er wegen seiner mutmaßlichen Verbrechen in Russland, China oder im Iran verhaftet worden wäre. Aber weil seine "Straftat" in der Ukraine begangen wurde, schwieg die US-Regierung dazu.

Die Staatsbeamten der USA haben offenbar entschieden, dass es besser sei, ihn dahinsiechen und schließlich sterben zu lassen, obwohl Lira in dem letzten Video, das er vor seinem Verschwinden auf X (Twitter) geteilt hat, behauptete, gefoltert worden zu sein. Stattdessen hat man seine Freilassung nicht durchgesetzt und damit verhindert, dass er in die USA zurückzukehren kann, wo er womöglich erneut öffentlich über die Ukraine hätte herziehen können. Dies ging jedoch nach hinten los, weil führende Beeinflusser auf sozialen Medien – von Tucker Carlson bis hin zu Elon Musk – das öffentliche Bewusstsein für die missliche Lage von Lira – und letztlich seinen Tod – für die Öffentlichkeit als fragwürdige Folge von Folter schärften.

Lira hatte zuvor bekannt gegeben, dass er an einer Reihe gesundheitlicher Probleme leidet, die der US-Regierung bekannt waren. Aber die Vertreter der Regierung von Joe Biden haben nichts unternommen, um sicherzustellen, dass er zumindest mit dem absoluten Minimum an menschlichem Anstand, im Einklang mit den Menschenrechten, behandelt wird. Wenn man gewollt hätte, so hätte man dafür sorgen können, dass seine Probleme im Gefängnis angemessen behandelt werden, um seinen Tod zu vermeiden, aber niemand schien sich darum zu kümmern. Das Ergebnis verleiht seiner früheren Behauptung Glaubwürdigkeit, dass Nuland ihn persönlich hasse und wahrscheinlich seinen Tod herbeiwünsche.

Diese Travestie der Justiz zu beachten ist aus vielen Gründen wichtig, nicht zuletzt deshalb, weil sie die erklärte Politik der US-Regierung diskreditiert, angeblich immer allen US-Bürgern beizustehen, die im Ausland inhaftiert werden. Ganz offensichtlich wurde hier mit zweierlei Maß gemessen, je nachdem, wer der Bürger ist, je nachdem, wo der Bürger inhaftiert wird, und je nach Kontext seiner mutmaßlichen "Verbrechen". Mit anderen Worten: Der gesamte Prozess des Schutzes von US-Bürgern im Ausland wurde politisiert, und nur diejenigen, deren Fälle im Einklang mit den Interessen der US-Regierung stehen, werden unterstützt, während alle anderen sehen können, wo sie bleiben.

Der zweite Punkt ist, dass die persönliche Feindseligkeit, die Mitglieder der US-Regierung, Leute wie Nuland, gegenüber Lira hegten, zum Teil dafür verantwortlich ist, dass sie nicht darauf gekommen sind, dass die Sicherstellung seiner Freilassung und Rückkehr in die USA – oder zumindest die Bereitstellung einer angemessenen medizinischen Behandlung im Gefängnis – die Anschuldigungen abgeschmettert hätten, dass Biden Kiew gegenüber in der Pflicht steht. Trump und seine Unterstützer hatten zuvor behauptet, dass Biden in der Ukraine dermaßen in ein Korruptionsnetz verstrickt sei, dass alles, was seine Regierung gegenüber der Ukraine unternimmt, in diesem Licht betrachtet werden müsse.

Biden bzw. die politischen Entscheidungsträger hinter ihm hätten versuchen können, diese Behauptungen teilweise zu widerlegen, indem sie die Freilassung und die Rückkehr von Lira – oder zumindest eine angemessene medizinische Behandlung – sichergestellt hätten. Dies hätte dann dann als Beweis dafür hinhalten können, dass der angebliche Interessenkonflikt zwischen der Administration Biden und der Ukraine nicht wirklich existiert. Denn wenn dies der Fall wäre – so das Narrativ –, würde sich die Regierung von Joe Biden schließlich nicht für die Rechte eines US-Bürgers einsetzen, der wegen der Ausübung seiner Meinungsfreiheit inhaftiert wurde und Selenskij dadurch schlecht dastehen lässt.

Der letzte Punkt, der angesprochen werden muss, ist, dass die Schuld der US-Regierung am Tod von Lira in einem ukrainischen Gefängnis eine Botschaft an alle US-amerikanischen Dissidenten im Ausland ist, dass die Offiziellen der US-Regierung buchstäblich wollen, dass sie für angebliche "Verbrechen", sich gegen ihre Politik auszusprechen, sterben. Das Kiewer Regime führt eine Todesliste, die ironischerweise "Friedensstifter" – Mirotworez auf Ukrainisch – genannt wird und auf der sich zahlreiche US-amerikanische und andere westliche Bürger wie Lira befinden.

Jeder von ihnen könnte ebenfalls festgenommen oder getötet werden, ohne dass sich die US-Regierung nach dem Präzedenzfall Lira darum kümmern würde. Einige mögen ihre Ansichten in der Öffentlichkeit von sich aus zensieren, während andere trotzig bleiben werden. Aber keiner von ihnen sollte glauben müssen, dass die US-Regierung stillschweigend auch für sie ein ähnlich dunkles Schicksal billigt. Es ist dieses Bewusstsein in der breiten Öffentlichkeit, das dem Ruf der USA auf lange Sicht den größten Schaden zufügen wird, den die Offiziellen der US-Regierung hätten verhindern können, wenn sie bloß Lira geholfen hätten, als sie noch die Chance dazu hatten.

Aus dem Englischen.

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt-&-Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.

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