Meinung

"Weiter so" oder große Wende: Die Berlinwahl als Warnsignal für den Bund?

Dämpfer für die regierenden Parteien SPD, Grüne und Linke, ein Riesenzuwachs an Stimmen für die CDU: Für die Berliner Sozialdemokraten ist es das schlechteste Ergebnis in der "wiedervereinigten" Bundesrepublik – dennoch versucht die noch amtierende Bürgermeisterin und Genossin Franziska Giffey krampfhaft, in der Hauptstadt an der Macht zu bleiben. Ein Trauerspiel aus der Stadt, in der kaum etwas funktioniert.
"Weiter so" oder große Wende: Die Berlinwahl als Warnsignal für den Bund?Quelle: www.globallookpress.com © Fabian Sommer

Von Kaspar Sachse

Für den Sieg bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin musste sich die CDU nur wenig ins Zeug legen, viel mehr gestaltete sich der Wahlkampf fast als Selbstläufer. Zu offensichtlich waren die Verfehlungen, genauer gesagt schlichtweg die Unfähigkeit des rot-rot-grünen Senats – zumindest außerhalb des S-Bahn-Rings.

Im Vorfeld plakatierte die CDU lediglich das, was in anderen Hauptstädten selbstverständlich ist, wie "Berlin, Du musst endlich funktionieren", "Was Kriminelle bald häufiger hören: Haftbefehl" oder "Berlin, lass Dir das Auto nicht verbieten". So einfach geht es? Offensichtlich, erst recht, wenn die AfD zum Buhmann für einfach alles erklärt wird.

Spätestens seit der "Ära Merkel" im Bund ist klar, dass Oppositionsparteien nicht aus Überzeugung, sondern aus Frust über die jeweils aktuelle Regierung gewählt werden. In der Hauptstadt hat sich das zumindest außerhalb der woken Blase wieder bewahrheitet. Zu groß war der Ärger über die "Coronamaßnahmen", fehlenden beziehungsweise unbezahlbaren Wohnraum, schwachsinnige Gender-Debatten, kaputte Infrastruktur oder zuletzt die konsequenzlosen Ausschreitungen in der Silvesternacht. 

Die Parteien der Ampel ("die dümmste Regierung Europas", Sahra Wagenknecht) wurden konsequent abgestraft – die FDP flog gleich komplett aus dem Senat. SPD und Grüne haben jeweils nur etwas über 18 Prozent der Stimmen bekommen und auch der Abwärtstrend der Partei Die Linke geht unaufhaltsam weiter. Sie muss mit 12,2 Prozent ein Minus von zwei Prozent verbuchen. Doch Eigenkritik findet man kaum.

So will SPD-Kandidatin Franziska Giffey – trotz des schlechtesten Ergebnisses seit der "Wende" – weder von ihrem Amt als Regierende Bürgermeistern noch als Co-Landesvorsitzende der SPD zurücktreten. Die Berliner Zeitung berichtete von einer Aussage am Montag mit den Worten:

"Wir sind im Wahlkampf angetreten, damit das Rote Rathaus rot bleibt. (…) Wir werden natürlich auch Gespräche führen, die ausloten, inwieweit so eine Fortführung möglich ist."

Mit der CDU werde ihre Partei ebenfalls sprechen, deren Einladung annehmen, so Giffey. Die SPD wolle als Zweitplatzierter der Wahl – mit nur 105 Stimmen mehr als die Grünen – "eine starke und auch eine führende Rolle bei der Regierungsbildung" einnehmen. Übersetzt heißt das: Die SPD und insbesondere Frau Giffey kleben an der Macht wie die Klimakleber der Hauptstadt auf dem Asphalt. Aufarbeitung des Wahlergebnisses? Persönliche Fehler? Die Rolle der Bundes-SPD? Fehlanzeige. 

Da zeigt man lieber hypermoralisch mit dem Finger auf den Wahlsieger und diskreditiert ihn. Beispiel gefällig? Sawsan Chebli, die in den Jahren 2016 bis 2021 in der Berliner Senatskanzlei tätig war, sagte am Montag der Deutschen Presse-Agentur:

"Mich macht es nachdenklich, dass die Wählerinnen und Wähler die ressentimentgeladenen Aussagen der CDU gegenüber Menschen mit Migrationsbiografie nicht gestört haben."

Damit spielte die Genossin auf die Forderung der CDU nach den Silvester-Krawallen in Berlin an, die Vornamen der mutmaßlichen Täter zu veröffentlichen.

Ähnlich traurig sieht es auch beim (Noch-)Koalitionspartner der Grünen aus. Bettina Jarasch, für deren Publicity-Fotos der Steuerzahler über 70.000 Euro zahlen durfte, twitterte am Sonntag:

"Danke an alle, die in den letzten 90 Tagen bei Wind und Regen in diesem harten Wahlkampf auf der Straße waren. Klar ist: die Berliner*innen haben sich deutlich für eine starke Grüne Partei ausgesprochen."

Allzu deutlich war dieses "Aussprechen" allerdings nicht: In ihrem eigenen Wahlkreis Spandau 2 belegte die Schwäbin lediglich den vierten Platz: Sie landete mit 9,8 Prozent hinter CDU, SPD und sogar der ihr verhassten AfD. 

Für das olivgrüne Selbstbewusstsein ist das allerdings kein Problem. Seit Annalena Baerbock ist ja außerdem bekannt, was die Grünen von ihren Wählern halten. Für eine Machtoption reicht es dazu immer noch, ob weiter als RRG oder als "Übung" für den Bund zusammen mit der Union? Jarasch dürfte es egal sein, Hauptsache sie bleibt im Roten Rathaus.

Das Gleiche gilt auch für Klaus Lederer, Spitzenkandidat der Linken. Genau wie Giffey und Jarasch konnte auch er in seinem Wahlkreis nicht das Direktmandat holen – das hielt allerdings seine Gefolgschaft auf der Linken-Wahlparty nach Verkündigung des schlechten Wahlergebnisses am Sonntagabend nicht von "Klaus, Klaus, Klaus"-Rufen ab. Realitätsverweigerung können Sie in der Hauptstadt also immer noch am besten. Dagegen wirkt die Ampel im Bund fast noch solide – aber eben nur fast!

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