Meinung

Demokratie: Ist das Volk für die Regierung da?

In einer repräsentativen Demokratie werden Vertreter des Volkes gewählt, um stellvertretend für dieses Volk die politischen Entscheidungen zu treffen. Eigentlich. Funktioniert hat das immer nur bedingt. Doch mittlerweile es geht um die Demokratie als solche.
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Von Tom J. Wellbrock

In einer repräsentativen Demokratie werden Vertreter des Volkes gewählt, um stellvertretend für dieses Volk die politischen Entscheidungen zu treffen. Das ist an vielen Stellen unübersichtlich und dem Sinn nach immer wieder zum Scheitern verurteilt. Doch was wir jetzt erleben, schlägt dem Fass den Boden aus. Daher sind Fragen zur Meinungsfreiheit oder Zensur in dieser Phase nicht mehr ausreichend. Es geht um die Demokratie als solche.

Wikipedia schlägt folgende Definition für die repräsentative Demokratie vor:

"Die Repräsentative Demokratieist eine Herrschaftsform, in der politische Entscheidungen im Gegensatz zur Direkten Demokratie nicht unmittelbar durch das Volk selbst getroffen werden, sondern durch gewählte Repräsentanten. Seit Erfindung dieser Regierungsform ist das zentrale Element stets die Wahl der Regierenden in regelmäßigen Abständen, dazwischen bleiben diese weitestgehend unabhängig von einer Kontrolle durch die Regierten, ohne imperatives Mandat. Die Regierten dürfen ihre Meinungen und politischen Wünsche äußern, ohne zum Ziel der Kontrolle durch die Regierung zu werden. Die Entscheidungen der Regierung unterliegen der Überprüfung durch die Feuerprobe der öffentlichen Debatte."

Damit ist das grundlegende Problem beschrieben und die aktuelle Krise benannt. Andere Länder, wie etwa die Schweiz, erweitern die Einflussmöglichkeiten des Volkes durch Volksabstimmungen, doch auch dort bleibt die repräsentative Demokratie bei den Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Bürger übersichtlich.

Das Ende der repräsentativen Demokratie

Eine öffentliche Feuerprobe findet nicht statt. Erfreulicherweise nicht in der ursprünglichen Art und Weise, nach der Geldschränke öffentlichen Feuerproben unterzogen wurden, um sie auf ihre Sicherheit zu überprüfen. Aber eben auch nicht in Form einer öffentlichen Debatte. Denn diese ist längst geprägt durch vorgegebene Narrative, denen zu widersprechen dem Volk – und seien es auch noch so kleine Teile – verboten ist. Dieses Verbot ist nicht in Gesetzesform gegossen, sondern in die Form der Debatte, die geleitet wird durch politische und mediale Dominanz.

Die Regierten werden zunehmend zum Ziel der Kontrolle durch die Regierung. Mit tatkräftiger Unterstützung regierungsnaher Medien, die letztlich auch aus eigenem Interesse handeln. Durch die freiwillig vollzogene Übereinstimmung grundlegender politischer Ausrichtungen ist jede Tendenz, die dem entgegenwirkt, eine Konkurrenz, die es zu schwächen oder auszulöschen gilt. Damit erfüllt ein großer Teil der Medien weder die Aufklärungspflicht noch die der politischen Unabhängigkeit. Vielmehr nehmen zahlreiche Medien die Regierten unter ihre Kontrolle und sanktionieren nahezu jeden Versuch, sich dieser Kontrolle zu entziehen.

Doch der mit Abstand eindeutigste Punkt, der das Ende der Demokratie im Allgemeinen und der repräsentativen Demokratie im Besonderen markiert, zeigt sich in der Methode der politischen Entscheidungen durch die Regierenden. Während die vollständige Entmündigung während der Corona-Episode eine kurze Weile als verantwortungsbewusstes politisches Handeln tituliert wurde, stellte sich schnell heraus, dass es weder um gesundheitspolitische noch andere Formen der Verantwortung ging. In einem kleinen Zeitfenster erkannten die Regierenden die Möglichkeit, die Bevölkerung zu dominieren, zu drangsalieren und unter Druck zu setzen, die jedes Maß der Verhältnismäßigkeit vermissen ließ.

Und jetzt, da der Virologe Christian Drosten die Pandemie für endemisch erklärt hat, zeigt sich die Weigerung der politischen Entscheidungsträger, entsprechend zu handeln und die Praxis zu ändern. Konstruierte Begründungen müssen für die Beibehaltung bestimmter Maßnahmen herhalten, Überbelegungen in Krankenhäusern und zahlreiche Atemwegserkrankungen bei Kindern und Erwachsenen werden als argumentative Grundlage für die Beibehaltung bestimmte Maßnahmen benutzt. Sämtliche anderen Fakten, die zur desaströsen Lage des Gesundheitssystems beigetragen haben, werden öffentlich, verbal und faktisch ignoriert.

Im Kern zerstört

Ein weiterer Auszug von Wikipedia verdeutlicht eine notwendige Fragestellung:

"Eine parlamentarische Demokratie ist grundsätzlich auf Öffentlichkeit angelegt. Das Parlament debattiert und entscheidet vor dem Volk; sein Plenum tagt stets öffentlich. Die Abgeordneten in einer parlamentarischen Demokratie vertreten das Volk und sind in der Wahrnehmung dieses Auftrages frei, nicht an Aufträge gebunden (freies Mandat). Vielmehr sind sie nur ihrem Gewissen verpflichtet und können wegen ihrer Entscheidungen von den Wählern nur durch Nicht-Wiederwahl, nicht durch Abberufung zur Verantwortung gezogen werden, wie das in einer Rätedemokratie möglich ist."

Auf Öffentlichkeit ist nur noch ein kleiner Teil der politischen Entscheidungen ausgelegt. Tatsächlich werden die wichtigen Entscheidungen in Hinterzimmern gefällt und dann den Regierten als vollendete Tatsache präsentiert. Das Gewissen der Politiker spielt wegen unzähliger Verbindungen und wirtschaftlicher Interessen dabei keine Rolle. Doch das ist nicht einmal der wichtigste Punkt.

Viel bedeutender ist der Satzteil, aus dem hervorgeht, dass die Abgeordneten der parlamentarischen Demokratie das Volk vertreten. Dem ist nicht (mehr) so, und man muss die Konsequenz, die sich daraus ergibt, beim Namen nennen: Die Demokratie ist Geschichte, diese Gesellschaftsform existiert im Deutschland des Jahres 2022 nicht mehr. Diese Aussage ist eine andere als darüber zu streiten, an welchen Stellen die Demokratie brüchig geworden ist oder aufgeweicht wurde. Die eigentliche Basis, auf der eine demokratische Ordnung steht, ist schlicht nicht mehr vorhanden.

Frieren für die Regierenden

Ist das Volk für die Regierung da? Man muss das uneingeschränkt bejahen. Bezeichnend ist das Verhalten der Politik (und der Medien) in Bezug auf die Ukraine-Krise. Kurz nachdem Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert war, verkündete Kanzler Olaf Scholz eine Zeitenwende. In deren Zuge wurde ein "Sondervermögen" von 100 Milliarden Euro aufgelegt, um der Ukraine zu "helfen". Zusätzlich prägte eine neue Grundhaltung die Politik, die auf mehr Rüstung, mehr Krieg und eine nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr dagewesene Eskalationsbereitschaft setzte.

Man muss sich dieses Verhalten unter demokratischen Gesichtspunkten vor Augen führen. Hier wurde in einer beispiellosen Form über die Köpfe der Bevölkerung hinweg eine neue politische Richtung eingeschlagen, die für die Menschen im Land verheerende Konsequenzen hat. Das täglich grüßende Murmeltier, das behauptet, Wladimir Putin sei an all dem schuld, ist einfach nicht haltbar, denn die Zusammenhänge sind eindeutig andere. Besonders die Grünen haben sich schon lange vor dem Platznehmen an den Schaltzentralen der Macht vorgenommen, gegen Russland ins politisch-kriegerische Feld zu ziehen. Das Aus von Nord Stream 2 war als angestrebtes Ziel nicht einmal ein offenes Geheimnis, sondern klar kommunizierte Botschaft.

Die Grünen sind sicher derzeit die härtesten Hardliner, wenn es ums Säbelrasseln geht, auch wenn einzelne Personen wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder Roderich Kiesewetter ihnen in nichts nachstehen. Doch das ist gar nicht der Punkt, sondern die Tatsache, dass die gesamte Koalition – inklusive der Parteien, die sich früher einmal hätten Opposition nennen dürften – für einen kriegerischen Kurs steht, den die Bevölkerung zu befolgen hat. Belehrungen über die korrekte Handhabung einer Heizung oder strenge Appelle an die Duschdauer der Menschen sind zwar Aufreger, aber letztlich irrelevant.

Die Bevölkerung: Auf sich allein gestellt

Die laut und einseitig geführten Scheindebatten rund um Fragen wie die der Meinungsfreiheit oder der Zensur stehen in ihrer Bedeutung mittlerweile weit hinter der grundlegenden Frage nach dem Funktionieren der Demokratie. Das Volk kann nicht für die Regierenden da sein, die Regierung muss die Interessen des Volkes im Kopf haben. Sie, die Regierenden, sind bei Lichte betrachtet dienende Bürokraten, die ihrer Aufgabe einfach nicht nachkommen. Würden sie stellvertretend für die Bevölkerung arbeiten, hätten sie niemals derart undemokratisch Grundrechte eingeschränkt, inklusive der Aufrechterhaltung absurder Maßnahmen in eine Zeit hinein, die kaum weiter von pandemischen Zuständen entfernt sein könnte.

Würden sie im Interesse des Volkes arbeiten, hätten sie nicht einmal im Traum daran gedacht, einer zuverlässigen und kostengünstigen Energiequelle ohne Skrupel das Genick zu brechen. Sie hätten darüber hinaus alles nur Erdenkliche getan, um die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines aufzuklären. Andererseits war es ja die politische Agenda der Bundesregierung, die die Sprengungen überhaupt erst ermöglicht hat. Es stimmt also vorn und hinten nicht, und die Detailfragen darüber, wer was wusste oder nicht wusste, führen an der Fragestellung vorbei, was unsere Demokratie überhaupt noch wert ist.

Die Antwort lautet ganz nüchtern: nichts. Die Kernaufgabe einer demokratischen Regierung ist die Interessenvertretung der Bevölkerung. Alles andere sind Nebensachen, die demokratisch ausgefochten werden müssen. Doch wenn die Basis nicht stimmt, wenn also Politik vom Volk erwartet, dass es tut, was ihm aufgetragen wird, braucht man nicht darüber zu verhandeln, ob es eine freie Meinung gibt oder welcher Definition der Begriff Zensur unterliegt. Denn diese Debatten werden innerhalb einer Demokratie geführt, keineswegs außerhalb.

Es kann in diesem Zusammenhang nicht überraschen, dass in letzter Zeit so oft vom "Wertewesten" oder einem "Wertekanon" die Rede ist. Beides ist per definitionem in keinen Zusammenhang zu bringen. Der "Wertewesten" steht für Dinge, die er sich ausgedacht hat, er verfolgt Ziele, die nirgends schriftlich fixiert sind oder demokratisch zur Abstimmung gestellt und entschieden wurden. Weder der Begriff noch die Inhalte des "Wertewestens" sind in welcher Form auch immer legitimiert. Es handelt sich um ein Wort, das mit keinerlei demokratischen Zügen untermauert ist und das geschaffen wurde aus einer Blase heraus, innerhalb derer sich einige wenige bewegen, ohne jedwede Kontrolle von außen zu erfahren.

Wir müssen über die Demokratie reden! Weil sie verschwunden ist.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Moderator und Mitherausgeber des Blogs "neulandrebellen".

Nachtrag: Das hier verlinkte Video ist ein Zusammenschnitt von Aussagen im Bundestag, die von Vertretern von SPD, CDU, FDP, Grünen und der Linken getroffen wurden, nachdem die AfD drei Anträge für die Aufhebung bestimmter Maßnahmen eingebracht hatte. Diese Aussagen legen Zeugnis ab über das Demokratieverständnis unserer Volksvertreter.

https://www.youtube.com/watch?v=DE31a9SKPi0

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