Meinung

Sam Bankman-Fried: Genie, FTX-Finanzjongleur oder eine weitere US-Marionette?

Ist der Crash der Kryptobörse FTX ein rein finanzpolitischer Skandal, oder sollte der Blickwinkel wesentlich erweitert werden? Eine Zusammenfassung bisher bekannter Karrierewege des Samuel Bankman-Fried.
Sam Bankman-Fried: Genie, FTX-Finanzjongleur oder eine weitere US-Marionette?Quelle: Gettyimages.ru © Tom Williams/Kontributor

Von Bernhard Loyen

Die Gerüchteküche ist mächtig am Brodeln und wird auch noch eine Zeit lang köcheln. Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich jedoch ohne größere Probleme resümieren, dass das gesamte Konstrukt der insolventen Kryptobörse FTX und die beeindruckende Rolle ihres mittlerweile geschassten Gründers und CEO Samuel Bankman-Fried (30 Jahre alt und später, wie in US-Medien bevorzugt, SBF genannt) eine Finanzkrise 2.0 der sehr speziellen Art darstellt. Inklusive politischen Schwingungen bis in internationale Regierungskreise.

Es geht zuerst einmal um die Welt digitaler, also nicht physischer Finanzwährungen. Dies in einer Größenordnung, die finanzkritische Menschen und Gegner drohender digitaler Zentralbankwährungen zu mittlerweile routinemäßigem Kopfschütteln bewegt – ob beeindruckt oder resignierend, obliegt dem individuellen Blickwinkel. Während SBFs FTX unter Insolvenzschutz steht, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters darüber, dass "zwischen 1 und 2 Milliarden Dollar an Kundengeldern von der gescheiterten Krypto-Börse verschwunden sind".

Bei den zu betrachtenden Summen, die in den Medien genannt werden, sollte in der Nennung auch gleich die zugeordnete Stellung oder Wahrnehmung hinsichtlich des Hauptakteuers dieses Skandals made in USA genannt werden – Bankman-Fried.

Der US-Sender CNBC titelte im Januar dieses Jahres:

"Kryptowährungsbörse FTX erreicht trotz Bärenmarktängsten eine Bewertung von 32 Milliarden Dollar."

Von einem Bärenmarkt spricht man in der Finanzwelt, wenn "ein Markt einen anhaltenden Kursrückgang erlebt". Am 1. August titelte das US-Magazin Fortune annähernd prophetisch über den Finanz-Shootingstar der Stunde:

"Der 30-jährige Milliardär Sam Bankman-Fried wurde bereits als der nächste Warren Buffett bezeichnet. Seine kontraintuitive Anlagestrategie wird ihm entweder ein Imperium bescheren – oder in einer Katastrophe enden."

Gut zehn Wochen später wissen Interessierte: Es endete in einer Katastrophe. War diese nun nicht nur absehbar, sondern vermeidbar? War sie gar bewusst provoziert, und wer ist eigentlich dieser Jüngling? Ein reines Finanzgenie und Feingeist? Und warum erhielt ein Mittzwanziger ab dem Jahr 2019 die Möglichkeit, sehr zügig in den höchsten, also allerhöchsten Politikreisen weltweit, Zugang zu den berühmten Hinterzimmern zu erlangen? 

Eine Spurensuche

SBF, geboren 1992 in Kalifornien, wächst im behüteten, vermögenden und fördernden Umfeld zweier anerkannter Professoren auf. Seine Mutter wird dabei später eine wesentliche Rolle spielen. Von 2010 bis 2014 besuchte SBF das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Seine Zeit endet dort mit einem Abschluss in Physik. Unmittelbar im Anschluss begann die Karriere in der Finanzwelt, als sogenannter "Arbitrage-Händler" bei Jane Street Capital, einem weltweit agierenden US-amerikanischen Tradingunternehmen mit Büros in New York, London, Hongkong und Amsterdam.

"Arbitrage" ist eine Handelsstrategie. Das Ziel ist dabei, aus geringen Preisunterschieden zwischen ähnlichen oder identischen Vermögenswerten Gewinne zu erzielen. Im Jahre 2017 hatte Bankman-Fried für sich die glitzernde Digitalwelt der Kryptowährungen entdeckt, um umgehend seine erlernte Arbitrage-Spezialisierung auf diesem Feld anzuwenden, so Informationen der US-Finanzseite Capital. Ein Artikel erläutert zum weiteren Karriereweg von SBF:

"Konkret begann er, Bitcoin in den USA zu kaufen und in Japan zu verkaufen, wobei er aufgrund der Preisunterschiede bis zu zehn Prozent Profit machte. Später im selben Jahr gründete Bankman-Fried sein eigenes Krypto-Handelsunternehmen Alameda Research."

Dabei handelt es sich um ein Unternehmen, das Liquidität auf den Märkten für Kryptowährungen und digitale Vermögenswerte anbot. Auch das Unternehmen Alameda bedarf einer späteren genaueren Betrachtung. Wie gelangte SBF zu seinem Vermögen? Das Zauberwort heißt "Kimchi-Premium", ein Begriff der Krypto-Parallelwelt, dessen Finessen SBF in die Liga der Milliardäre brachte. Die Seite Trending Topics erläutert:

"Bei Kimchi-Premium handelt es sich um eine Diskrepanz beim Bitcoin-Preis in weiten Teilen Asiens und dem Preis im Rest der Welt. Bankman-Fried ist laut Sequoia Capital der einzige Händler, von dem bekannt ist, dass er diesen Unterschied effektiv zu seinem Vorteil nutzen konnte. An einem einzigen Tag schaffte er es auf diese Weise, 25 Millionen Dollar in Krypto-Assets anzuhäufen."

Im Mai 2019 gründete der Krypto-Versteher dann sein zweites Unternehmen, die Kryptobörse FTX. Gut vier Wochen zuvor, am 25. April 2019, hatte Joe Biden als potenzieller Kandidat der Demokraten seine Bewerbung für die US-Präsidentschaftswahl 2020 verkündet. Wiederum gut ein Jahr zuvor, im Juli 2018, hatte die Mutter von Sam, Stanford-Professorin Barbara Fried, mit zwei Stanford-Kollegen ein politisches Aktionskomitee (PAC) für die Demokraten gegründet. Der Name des Komitees lautet "Mind the Gap" (Beachte die Lücke). In einem Artikel heißt es dazu:

"Mind the Gap ist für seine geheimen Operationen bekannt, bei denen das Komitee versucht, schnell und über einen kurzen Zeitraum Spenden zu sammeln, um zu verhindern, dass die Republikaner ihre eigenen Spender mobilisieren können."

Im Jahr 2018 hatte Fried 75.000 US-Dollar an Mind the Gap, also an die Demokraten gespendet. Sogenannte "Peanuts" hinsichtlich der kommenden Begeisterung und Unterstützung ihres Sohnes für Biden. Zuvor jedoch, im Januar 2020, beleuchten und benennen US-Medien die effektive Hintergrundarbeit von SBFs Mutter. Dazu heißt es:

"Einblicke in die geheimnisvolle Gruppe aus dem Silicon Valley, die über 20 Millionen Dollar an die Demokraten gespendet hat. Es gibt einen Grund, warum Sie noch nie etwas von Mind the Gap gehört haben: Ihre 'Daseinsberechtigung ist die Heimlichkeit'."

Ab dem Jahr 2020, gerade einmal ein Jahr nach der Gründung von FTX, entwickelte sich SBF zu einem der wichtigsten finanziellen Unterstützer der Demokraten. Warum? Er sei durch Bidens "generische Stabilität und Entscheidungsfindung motiviert worden", so der Finanzjongleur. Die Seite Blaze Media zählt auf:

"SBF spendete mehr als fünf Millionen Dollar an Joe Biden und Gruppen, die ihn während seiner Präsidentschaftskampagne 2020 unterstützten. Laut OpenSecrets gab Bankman-Fried den Demokraten im Wahlzyklus 2021/2022 fast 37 Millionen Dollar. SBF war der zweitgrößte Einzelspender der Demokraten, nur noch übertroffen von 128 Millionen Dollar von George Soros."

Kurze Darlegung von Fakten

Diese Auflistung ist in Bezug der Verknüpfungen und Kontaktpunkte so bizarr, dass dementsprechende eingereichte Drehbücher in Hollywood oder bei Netflix zur Überarbeitung zurückgereicht würden.

Laut den Besucherprotokollen des Weißen Hauses traf sich SBF am 22. April und am 12. Mai 2022 mit Bidens Top-Berater Steve Ricchetti. Gut vier Wochen nachdem Gabe Bankman-Fried – der Bruder von SBF und zuständig für die politischen Aktivitäten des Milliardärs, zuvor das Weiße Haus am 7. März aufsuchte. Dies alles zu einem Zeitpunkt, als in den USA sowohl im Kongress als auch bei den US-Bundesbehörden kontrovers um die Regulierung der Kryptoindustrie diskutiert wurde. SBF finanzierte in diesem Jahr größtenteils das "Protect Our Future"-Komitee, das wiederum erst im Mai 2022 gegründet wurde. Zu dessen Plänen schrieb die Seite Politico im April dieses Jahres:

"Bankman-Fried und Nishad Singh, der technische Leiter von FTX, finanzieren den Super-PAC Protect Our Future, das die Demokraten unterstützen will, 'die eine langfristige Sicht auf die politische Planung haben', insbesondere im Hinblick auf die Pandemievorsorge und -prävention. Singh spendete auch eine Million Dollar an Mind the Gap, ein im Silicon Valley ansässiges Super PAC, das von Stanford-Professoren geleitet wird und sich auf die Wahl von Demokraten konzentriert."

An Mind the Gap, also das Komitee seiner Mutter? Und "Protect Our Future" (Unsere Zukunft schützen) wie auch "Pandemievorsorge" klingen schon sehr nach Davos, Klaus Schwab und dem World Economic Forum (WEF). Dort war wiederum nachweislich bereits die Schwester von SBFs Mutter zu Gast, Linda Fried, und zwar auf dem "World Economic Forum Annual Meeting" des Jahres 2014. Sie ist Epidemiologin an der Columbia University in New York. FTX wird aktuell auf der Seite des WEF überraschend nicht mehr als Partner genannt, war aber gelistet, nachdem SBF im Mai höchstpersönlich noch vor Ort gewesen war und auch eine Rede zum Thema "Kryptowährung & Web 3.0" gehalten hatte. Annähernd nebensächlich: Amy Wu, frisch zurückgetretene Chefin von FTX Ventures, war ganz zu Anfang ihrer Karriere bei der Clinton Foundation angestellt.

Militärisch-finanzpolitische Realitäten in Verbindung mit FTX

SBF war nachweislich im Februar 2022 anwesend auf der Münchner Sicherheitskonferenz und am 18. Februar dann Panel-Gast bei einer Veranstaltung mit dem Titel: "Aufzeichnung von "Gain or Pain: Sicherheit von nationalen Kryptowährungen". Ebenfalls anwesend auf der Konferenz war der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij – vermutlich mit einer Delegation und entsprechenden Interessen. Abends gab es dann ein "Ukraine-Dinner". Am 26. Februar formuliert der Twitter-Kanal: "Ukraine Government Organization" folgende Aufforderung:

"Stehen Sie an der Seite der Menschen in der Ukraine. Wir nehmen jetzt Spenden in Kryptowährung an."

Alexander Bornjakow, stellvertretender Minister für digitale Transformation der Ukraine, dementierte am Montag dieser Woche umgehend auf Twitter kursierende Gerüchte, dass die ukrainische Regierung Abermillionen, wenn nicht Milliarden von Dollar entsprechender Finanzunterstützung aus den USA im Ukraine-Krieg in FTX investiert habe – die nun durch den Firmen-Crash verloren gingen.

Er schrieb und kommentierte:

"Das ganze Narrativ, dass die Ukraine angeblich in FTX investiert hat, das Geld an die Demokraten gespendet hat, ist offen gesagt Unsinn."

Die Ukraine ging jedoch in diesem Frühjahr nachweislich neben "einer traditionellen Fiat-Kampagne zur Unterstützung ihres Militärs und der Zivilbevölkerung Hunderte von Millionen in Kryptowährungen zu sammeln, eine Partnerschaft mit FTX ein, um Krypto-Spenden in Munition und humanitäre Hilfe umzuwandeln", so Informationen der Seite CoinDesk. FTX wurde zudem "zusammen mit der ukrainischen Börse Kuna zu einer Plattform für die Umwandlung von Kryptowährungen in reale Güter".

Es werden weitere Wochen ins Land ziehen, die benötigt werden, um dieses surreale Krypto-Politnetz zu entwirren. Auch in Bezug auf Irritationen SBFs Unternehmen Alameda und diesbezügliche Namen, Positionen und sich anbahnende Realitäten betreffend. Im Jahre 2021 ließ der so unbedarft dreinschauende SBF gegenüber dem US-Finanzdienstleiter Sequoia in einem Interview wissen:

"Ich möchte, dass FTX ein Ort ist, an dem man mit seinem nächsten Dollar alles machen kann, was man will. Du kannst Bitcoin erstehen, Geld in jeder beliebigen Währung an jeden Freund überall auf der Welt schicken oder eine Banane kaufen. Du kannst mit deinem Geld von FTX aus alles machen, was du willst."

Im Mai dieses Jahres schrieb der US-Sender NBC News:

"Der Gründer der demokratischen Kryptowährungsbörse, Sam Bankman-Fried, sagt, er rechne damit, im Jahr 2024 (dem nächsten US-Wahlkampftermin) 'nördlich von 100 Millionen Dollar' zu investieren, mit einer 'weichen Obergrenze' von einer Milliarde Dollar."

Der Normalbürger staunt und lernt: In der Gedankenwelt eines Jungmilliardärs liegt nur ein Halbsatz zwischen dem Wert einer Banane und der bewussten politischen Einflussnahme und Manipulation auf Regierungsebenen in Höhe von bis zu einer Milliarde Dollar. Diese Realitäten stimmen mehr als nachdenklich, welche wenigen irrsinnig reichen Menschen – Investoren, Finanzjongleure oder Philanthropen – mit sprichwörtlichen Klicks Macht über Millionen Menschen ausüben können. Es ist und bleibt wahrlich nicht alles Gold, was auch finanzpolitisch glänzt. Keine neue Erkenntnis, aber in beeindruckenden, eher unbekannten Nuancen.

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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.