Meinung

Geheimbünde: Harmlose Vereine oder schlimme Bedrohung für die Demokratie?

Ein merkwürdiger Bestandteil unserer modernen Zeit ist die Existenz von Geheimgesellschaften, die in unserer Mitte operieren und hinter verschlossenen Türen die globalen Agenden festlegen. Aber gibt es innerhalb unserer Demokratien einen Platz für solche Organisationen?
Geheimbünde: Harmlose Vereine oder schlimme Bedrohung für die Demokratie?Quelle: Gettyimages.ru © Andia / Universal Images Group

Von Robert Bridge

"Schon das Wort 'Geheimhaltung' ist in einer freien und offenen Gesellschaft abstoßend und wir sind als Volk von Natur aus und historisch gegen Geheimgesellschaften, geheime Eide und geheime Verfahren." (John F. Kennedy, 27. April 1961)

Lange, bevor der Romanautor Dan Brown mit seinen esoterischen Geschichten die Literaturszene betrat, waren die Menschen von der Vorstellung fasziniert, dass Geheimbünde im Schatten unserer Gesellschaft agieren und böse Verschwörungen aushecken. In diesem Zusammenhang sind die Freimaurer schwer wegzudenken.

Bereits 1798 veröffentlichte John Robison, Professor für Naturphilosophie und Sekretär der Königlichen Gesellschaft von Edinburgh, ein Buch, das in ganz Europa für Furore sorgte. Die Veröffentlichung trug den langen Titel "Beweise einer Verschwörung gegen alle Religionen und Regierungen Europas, die in den geheimen Treffen der Freimaurer, Illuminaten und Lesegesellschaften vorangetrieben werden". Hätte John Robison in unseren Tagen versucht, ein solches Buch zu veröffentlichen, er wäre schneller als Verschwörungstheoretiker abgeschrieben worden als Attila Hildmann.

Aber 1798 wurde das Buch ziemlich ernst genommen. Robison, selbst Freimaurer, versuchte zu beweisen, dass nicht nur die Französische Revolution, sondern viele andere historische Ereignisse der Zeit, das Ergebnis der Machenschaften dieser geheimen Bruderschaft waren:

"Ich habe gesehen, wie sich diese Vereinigung eifrig und systematisch anstrengte, bis sie fast unaufhaltsam wurde. Ich habe gesehen, dass die aktivsten Führer in der Französischen Revolution Mitglieder dieser Vereinigung waren und ihre ersten Bewegungen nach deren Grundsätzen führten, mit Mitteln gemäss ihrer Anweisungen und Unterstützung, die sie erbeten und erhalten haben. Und schließlich habe ich gesehen, dass diese Vereinigung immer noch existiert, immer noch im Geheimen wirkt und dass nicht nur mehrere Erscheinungen in unserer Mitte zeigen, dass ihre Abgesandten weiterhin bestrebt sind, ihre abscheulichen Lehren unter uns zu verbreiten."

Abgesehen von der Frage, ob Robison mit seiner Anschuldigung recht hatte, ist eine ebenso wichtige Frage: Wenn die Freimaurer wirklich nichts Gutes im Schilde führten, setzen sie dann diesen Unfug heute noch fort?

Viele Menschen glauben, dass sie das tun und viele versuchen, dies mit Enthüllungen unterschiedlicher Glaubwürdigkeit beweisen zu können. Viele werden als Verschwörungstheoretiker abgetan, was wiederum den Glauben vieler an die Bereitschaft der Geheimbünde, "die Wahrheit zu erdrosseln", befeuert. Der ehemalige Sänger, Komponist und Gewinner von "The X Factor Australia", Altiyan Childs, postete zum Beispiel ein fünfstündiges Video, in dem er verkündet, dass fast jede westliche Institution von den Freimaurern infiltriert worden ist, und zwar bis zu einem Punkt, an dem es fast unmöglich geworden ist, sich in Ämter und Positionen – von der Welt der Unterhaltung bis zur Politik und allem dazwischen – ohne die stille Zustimmung dieser internationalen Bruderschaft hochzuarbeiten. Dieses Video wurde bisher fast vier Millionen Mal angesehen.

Während es einfach sein mag, solche ausgefallenen Behauptungen am Beispiel der "Illuminaten" und ähnlicher Gruppen zu verspotten, gibt es Gesellschaften, die kein Geheimnis aus ihrer Existenz machen und einen viel greifbareren Anspruch darauf haben, die Welt zu kontrollieren.

Das Weltwirtschaftsforum

Wenn es heute einen amtierenden König der Geheimgesellschaften gäbe, würde der Titel zweifellos an das Weltwirtschaftsforum (WEF) gehen. Die 1971 von dem deutschen Ingenieur und Wirtschaftswissenschaftler Klaus Schwab gegründete Stiftung, in der die 1.000 mächtigsten Unternehmen der Welt vereint sind, sieht ihre Mission darin, "den Zustand der Welt zu verbessern, indem man Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und anderen Bereichen der Gesellschaft einbezieht, um globale, regionale und branchenspezifische Agenden zu gestalten". Ein demokratisches Verfahren scheint in dieser Formel keinen Platz zu haben.

Wie der Autor und Gesellschaftskritiker Nick Buxton das jährlich stattfindende Plaudertreffen beschrieb, das in den Bergen von Davos in der Schweiz abgehalten wird, "ist diese unerklärliche Zusammenkunft, die nur auf Einladung stattfindet, zunehmend jener Ort, an dem globale Entscheidungen getroffen werden und wird darüber hinaus gleichzeitig zur Standardform einer globalen Regierungsführung".

Schwab gab zu Protokoll, dass "der souveräne Staat obsolet geworden ist" und dass, um diese Machtlücke zu füllen, eine "Allianz für globale Themen" entstehen muss – anscheinend mit ihm selbst an der Spitze. Davos dient nicht nur als elitäre Cocktailparty zur "Verbesserung des Zustands der Welt" fernab der neugierigen Augen der restlichen Menschheit, sondern arbeitet auch daran, Regierungen auf der ganzen Welt mit ihren autodidaktischen Schützlingen zu "durchdringen".

"Worauf wir jetzt wirklich stolz sind, ist diese junge Generation wie Premierminister Trudeau", prahlte Schwab 2017, die es uns ermöglicht, "die Kabinette von Regierungen auf der ganzen Welt zu durchdringen". Der Vorsitzende des WEF lieferte dann ein Beispiel und sagte, er habe "an einem Empfang für Premierminister Trudeau teilgenommen und festgestellt, dass die Hälfte seines Kabinetts – oder sogar mehr – aus dem Young Global Leaders-Programm des WEF stammen".

Es erfordert nicht viel Fantasie für normale Leute – ganz zu schweigen für Verschwörungstheoretiker –, um etwas Schändliches daran zu finden, dass die mächtigsten Menschen auf dem Planeten, Regierungen mit ihren speziell ausgebildeten Vertretern "durchdringen". Und genau das geschah mit dem Aufkommen von Corona – viele Menschen sahen darin einen fabrizierten Notfall, nicht nur um Millionen von Menschen ihre Lebensgrundlage zu entziehen, sondern um genau jene Individuen, die sich in den Reihen des Davoser WEF bewegen, weiter zu bereichern. Die erzwungenen Lockdowns von Menschen und Privatunternehmen verursachten einen der größten Vermögenstransfers in der Geschichte der Menschheit, da nur die allergrößten Unternehmen unter solchen Bedingungen überleben konnten.

Es gab aber noch andere Gründe, um misstrauisch zu sein. Im Oktober 2019 veranstaltete das WEF zusammen mit der Johns Hopkins Universität und der Bill-und-Melissa-Gates-Stiftung ein Seminar mit einer praktischen Übung, die Titel "Event 201" trug. Bei diesem Event wurde simuliert, was im Falle einer globalen Pandemie geschehen würde. Drei Monate später, mit dem Aufkommen von Corona, geschah alles so, wie es in der Simulation durchgespielt wurde – vom Lockdown ganzer Länder bis hin zur Zwangsschließung von Unternehmen.

Das soll natürlich nicht heißen, dass Klaus Schwab und seine Davoser Elite eine tödliche Pandemie ausnutzten, um sich zu bereichern, aber viele Menschen glauben genau das – oder sind zumindest misstrauisch gegenüber einer undurchsichtigen Organisation, die auf einen "Great Reset" hinarbeitet. Diese beiden Wörter sind für viele Menschen zu einem Reizbegriff geworden. Während das WEF diesen Begriff als wohlwollenden Plan zur wirtschaftlichen Erholung nach Corona präsentierte, verwiesen Kritiker auf ein im Jahr 2016 vom Forum veröffentlichtes Video, mit der Vorhersage einer Zukunft, in der "Du nichts besitzen wirst. Und du wirst glücklich sein." Der Plan dahinter, so die Kritiker, sei, eine neue globale Weltordnung zu etablieren.

Skull and Bones

In einem unscheinbaren Gebäude auf dem Campus der Universität von Yale befindet sich das Zuhause von Skull and Bones (Schädel und Knochen), einer geheimnisvollen Burschenschaft, die 1832 erstmals auf der Bildfläche erschien. Frauen wurde erst 1992 eine Mitgliedschaft bei Skull and Bones ermöglicht.

Skull and Bones, auch bekannt als The Order, Order 322 oder The Brotherhood of Death (Die Bruderschaft des Todes), ist notorisch wählerisch, wer unter den Studenten ein sogenannter "Bonesman" werden kann und lädt am sogenannten "Tap Day" gerade einmal 15 Senior-Studenten ein, die sich um eine Aufnahme bemühen.

Trotz dieser intensiven Exklusivität sind viele Mitglieder nach ihrem Abschluss bei Yale in herausragenden Positionen in der Welt der Geheimdienste, der Wirtschaft und der Regierungen aufgestiegen. Drei von ihnen – William Howard Taft, George H.W. Bush und George W. Bush – wurden später US-Präsidenten. Dies führte beim Präsidentschaftswahlkampf von 2004 zu einem unangenehmen Moment zwischen George W. Bush und John Kerry, beide Mitglieder von Skull and Bones.

Der inzwischen verstorbene Journalist von NBC Tim Russert konfrontierte beide Männer mit ihrer Mitgliedschaft in dieser Organisation und fragte, was das für Amerika bedeute. Bush kicherte nur und sagte: "Das Ganze ist so geheim, dass wir nicht darüber sprechen können". Kerry antwortete fast wortgleich und sagte, er könne nicht über seine Mitgliedschaft sprechen, "weil es ein Geheimnis ist". Und damit war das US-amerikanische Volk gezwungen, zwischen zwei Männern von entgegengesetzten Parteien zu wählen, die Geheimnisse teilten, von denen der Wähler niemals etwas erfahren würde.

Bilderberg

Diese Gruppe erhielt ihren Namen vom Hotel Bilderberg im niederländischen Oosterbeek, wo die Bilderberger im Mai 1954 ihr erstes Treffen abhielten. Aber im Gegensatz zu Skull and Bones ist Bilderberg sehr global ausgerichtet. Tatsächlich so global, dass eine der Verschwörungstheorien, mit denen sie sich konfrontiert sehen, darin besteht, dass Bilderberg beabsichtige, eine globale Regierung zu etablieren. Denis Healey, einer der ursprünglichen Gründer der Gruppe, verlieh dieser Theorie eine gewisse Glaubwürdigkeit, als er gegenüber einem Journalisten sagte:

"Zu sagen, dass wir nach einer globalen Regierung streben, ist übertrieben, aber nicht ganz unwahr. Wir können uns nicht ewig sinnlos bekämpfen, Menschen töten und Millionen obdachlos machen. Also dachten wir, dass eine einzige Weltgemeinschaft eine gute Sache wäre."

Die Eingeladenen kommen meist aus einem engen Berufsspektrum – Vorstandsvorsitzende großer Unternehmen, Finanzminister und Staatsoberhäupter. Für den einen oder anderen Journalisten, der eingeladen wird, ist das Privileg, dabei zu sein, vor allem symbolisch, da er nicht über das schreiben darf, was er bei den Treffen sieht und hört. Bilderberg veröffentlicht eine jährliche Liste der Teilnehmer und der Themen, die sie diskutieren werden, aber darüber hinaus verlässt nur wenig die Wände der Luxushotels, in denen die Treffen jeweils stattfinden.

Es bleibt also die Frage: Gibt es innerhalb unserer Demokratien einen Platz für Geheimgesellschaften, insbesondere, wenn die Mitglieder dieser Gruppen immer auf ihre eigenen speziellen Interessen hinarbeiten? Die Antwort scheint offensichtlich, aber allem Anschein nach gibt es keine Gesetze in den Büchern, die Menschen – selbst diejenigen, die behaupten, dass sie uns vertreten – daran hindern, sich privat zu treffen. Folglich besteht die einzige Möglichkeit für das einfache Volk darin, bei jeder Gelegenheit gegen diese Hintertür-Treffen zu protestieren. Aber das ist auch alles.

Übersetzt aus dem Englischen.

Robert Bridge ist ein US-amerikanischer Schriftsteller und Journalist. Er ist Autor von "Midnight in the American Empire. Wie Konzerne und ihre politischen Diener den amerikanischen Traum zerstören". Er twittert unter @Robert_Bridge

Mehr zum Thema - Der Transhumanismus als menschenverachtende neoliberale Religion

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.