Wie die Öffentlich-Rechtlichen mit seltsamen Grafiken die Gesellschaft weiter spalten
von Kaspar Sachse
Nach dem offiziellen Ergebnis kam die SED-Liste bei den DDR-Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 auf 98,85 Prozent. Demnach stimmten 12,182 Millionen DDR-Bürger für die Liste der Nationalen Front – lediglich 142.000 stimmten dagegen. Der vermeintlich einstimmige Wahlausgang hatte mit der gesellschaftlichen Realität einige Monate später nur wenig gemeinsam.
Seitdem der Unmut über die Corona-Maßnahmen – eine gewisse Korrelation lässt sich seit der Verkündigung der Impfpflicht im Pflegebereich feststellen – in vielen Städten Deutschlands immer größer wird, tauchen in den sozialen Medien auf den Seiten der von GEZ-Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender seltsame Schautafeln auf.
Zur Erinnerung: im Herbst 1989 hatte auch nur eine kleine Minderheit der 17 Millionen DDR-Bürger gegen Massnahmen der damaligen Regierung demonstrieren. Das Ergebnis ist bekannt. Aber ich kann Ihre Verzweiflung mit Ihrer dümmlichen #Propaganda gut verstehen…
— Michael Ziesmann (@M_Ziesmann) December 15, 2021
Ihr habt nen Fehler in der Grafik... pic.twitter.com/1gV5Oj4aTE
— Mario Mieruch (@MieruchMario) December 21, 2021
Die gleiche verabsolutierende Unlogik präsentierte am Mittwoch auch die Aussage von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Der Welt sagte er:
"99,8 Prozent der Bürger gehen nicht spazieren, stehen zu diesen Maßnahmen."
Hier lässt sich die Frage stellen, was mit diesen Grafiken und derlei Sprüchen, die Äpfel mit Birnen vergleichen, erreicht werden soll. Etwa: Der brave Bürger in Gestalt der übergroßen Mehrheit lässt sich "boostern", um die Corona-Krise zu überwinden, während der stets rechtsradikale Demokratieverächter auf der Straße das Virus weiterverbreitet und dadurch jegliche Daseinsberechtigung verliert?
Dabei sollte es doch gerade Zeichen einer Demokratie sein, jede noch so kleine oder vermeintlich kleine Minderheit nicht zu diskriminieren oder gar zu unterdrücken. Doch die Frage ist, warum sich so viele Menschen generell gegen COVID-19 impfen bzw. "boostern" lassen? Aus völlig freien Stücken? Wegen der Gesundheit? Oder hat es auch ein wenig mit den nie gekannten Daumenschrauben zu tun, die die Politik der Gesellschaft seit fast zwei Jahren in bester Salamitaktik immer stärker anzieht?
So sind beispielsweise Friseurbesuche für Ungeimpfte mittlerweile komplett tabu – bis wann eigentlich? Im Februar sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dazu noch, die Entscheidung für die Wiedereröffnung der Friseure für alle habe "nicht nur mit Hygiene" zu tun, sondern "auch mit Würde". Die haben Ungeimpfte durch die "2G-Regelung" offenkundig nicht mehr. Andere haben sich impfen lassen, um nicht völlig aus dem gesellschaftlichen Leben zu fallen, oder trauen sich nicht auf die Straße, weil sie Angst um ihren Ruf oder schlichtweg vor Wasserwerfern im Winter und martialisch aufgerüsteten Polizisten haben.
Derlei Bilder bringen uns zu einem anderen Punkt. Der sind freilich die Mainstreammedien, die öffentlich-rechtlichen an vorderster Stelle. Wann haben Sie abgeschaltet? Vielleicht an dem Punkt, an dem plötzlich nicht mehr in jeder Nachrichtensendung über die "Fallzahlen" und "Inzidenzen", sondern täglich über die Anzahl der Neugeimpften berichtet wurde? Oder war das schon der Fall, als die vermeldeten Zahlen der Demoteilnehmer bei den großen Protesten in Berlin letztes Jahr mit der Realität nachweislich nichts mehr zu tun hatten? Oder erst zu dem Zeitpunkt, an dem ungeimpfte GEZ-Zahler direkt für die Spaltung der Gesellschaft verantwortlich gemacht worden sind?
Die Corona-Krise hat gezeigt: Die Medien als Korrektiv politischer Entscheidungen – früher auch als vierte Gewalt bezeichnet – gibt es nicht mehr. Vielmehr dienen die Sendeanstalten den politischen Entscheidern als Instrument der Verbreitung ihrer Pläne.
Und gerade in Deutschland – wo der Herdentrieb traditionell stark ausgeprägt ist – macht ein Großteil der Bevölkerung alles mit, was die Regierung will – und sei es auch noch so unlogisch.
Interessant wären vielmehr Grafiken, wie viele der "Impfwilligen" sich aus freien Stücken für die Impfung entschieden haben. Oder wie viele Geimpfte und "Geboosterte" sich unter den Demonstranten befinden (ja, nicht alle Maßnahmengegner sind ungeimpft). Auch andere Verhältnismäßigkeiten ließen sich gut darstellen: etwa, wie viele Menschen von 1.000 positiv auf das Coronavirus Getesteten die Krankheit überleben. Das sind laut einer weltweiten WHO-Studie 997,5 – die nicht "mit oder an" dem Virus sterben.
Doch derlei sucht man bei den Öffentlich-Rechtlichen vergebens. Stattdessen schieben Politik und Medien den gesellschaftlichen Spaltpilz den Ungeimpften bzw. "Spaziergängern" zu, um von ihrem eigenen Versagen abzulenken – wie eingangs erwähnt, nicht zum ersten Mal in der Geschichte.
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