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Russische Maßnahmen zur Verhinderung einer ukrainischen Offensive

Das Ausbleiben der lange schon erwarteten ukrainischen Offensive hängt nicht nur mit schlechtem Wetter oder unzureichenden Waffenlieferungen zusammen. Vor allem Aktionen der russischen Streitkräfte vermindern die Erfolgschancen der Offensive und könnten sie ganz verhindern.
Russische Maßnahmen zur Verhinderung einer ukrainischen OffensiveQuelle: Sputnik

Von Rafael Fachrutdinow

Der jüngste Raketenangriff gegen die Objekte des Militär-Industrie-Komplexes der Ukraine in Pawlograd wird im Netz weiterhin intensiv diskutiert. Diese Diskussionen betreffen nicht nur die spektakulären Aufnahmen von Explosionen, sondern auch Fragen, welche Objekte sich denn in Pawlograd befinden. Es handelt sich dabei primär um einen großen Logistik- und Lagerknotenpunkt, der vom ukrainischen Militär wahrscheinlich für seine vermutete Gegenoffensive genutzt wird.

Experten haben auch gemeint, dass die Aktionen der russischen Streitkräfte die Vorbereitung des ukrainischen Militärs auf solch eine Offensive planmäßig vereiteln sollten. Dies zeigten nicht nur die Angriffe auf Pawlograd, sondern belege auch eine Reihe anderer Operationen, die von der russischen Armee jüngst durchgeführt wurden.

Wie die Militärwissenschaft allgemein besagt, würde die beste Methode, eine gegnerische Offensive abzuwehren, darin bestehen, die besagte Offensive zu behindern oder gänzlich zu vereiteln. Dieses Ziel könne erreichbar sein, wenn acht Aufgaben gelöst werden.

"Die erste und wichtigste Aufgabe ist heute die Arbeit der Aufklärung, ob durch Satelliten, Agenten oder Truppen. Die Aufklärung muss den Ort und den Zeitpunkt des gegnerischen Hauptangriffs ermitteln. Wenn wir über alle notwendigen Angaben verfügen, werden wir in der Lage sein, massive Angriffe gegen Gebiete der Truppenkonzentration auszuführen und Ansammlungen des gegnerischen Personals und der Technik noch während ihres Aufmarsches zu vernichten", erklärte der Militärexperte Michail Onufrienko.

Besondere Beachtung verdient das Aufdecken der gegnerischen Bewegungsrouten. Denn so wie die Offensive ohne eine Truppenkonzentration nicht möglich ist, ist die Konzentration ohne Verlegung der Truppen aus dem Hinterland nicht möglich. Entsprechend muss die Aufklärung die Hauptbewegungsrouten der gegnerischen Truppen und die Schlüsselpunkte ihrer Konzentration bestimmen.

Wie dies in der Realität geschieht, lässt sich aus dem jüngsten Bericht des russischen Verteidigungsministeriums ableiten. "Am Frontabschnitt Torskoje und in der Nähe des Forstreviers Serebrjanka enttarnten die Einheiten und Aufklärer der Gruppierung Zentrum die Stellungen der 81. Luftsturmbrigade und der 58. Motorisierten Infanteriebrigade der ukrainischen Streitkräfte. Bei einem Angriff durch Artillerie und Luftstreitkräfte erlitt der Gegner Personalverluste", heißt es im Bericht vom 2. Mai.

Danach kommt die zweite Aufgabe, das sind die Angriffe gegen ukrainische Stellungen. "Bei den Angriffen müssen wir das ukrainische Militär mittels Waffen großer Reichweite vernichten – mit Raketen, Drohnen, kurzum, massive Raketen- und Bombenangriffe sind notwendig. Wir müssen die Luftstreitkräfte im vollen Umfang einsetzen, was wir bisher nicht getan hatten, weil nicht alle Luftabwehrmittel des Gegners zerstört sind", merkte der Experte an.

Über den Einsatz von Langstreckenwaffen berichtete für die Zeitung Wsgljad ein Pilot des Kampfflugzeugs vom Typ Su-34, der an der Militäroperation teilnimmt. Er berichtete unter anderem vom Einsatz der neuesten Bomben, die mit einem universellen Modul für Gleitflug und Zielkorrektur ausgestattet waren.

Der dritte Bestandteil der Störung von gegnerischen Plänen sind Angriffe nicht nur gegen Truppenansammlungen, sondern auch gegen Einrichtungen, in denen sich die für die Kriegführung notwendigen Mittel befinden. Die Truppen müssen versorgt werden – mit Munition, Treibstoff, Betriebsmitteln, Lebensmitteln, Wasser und anderem. Schließlich kann kein Panzer ohne Treibstoff fahren und ein Geschütz kann ohne Munition nicht schießen. Beispielsweise meldete Ende April die russische Gruppierung Süd die Zerstörung eines ukrainischen Munitionslagers bei Artjomowsk.

"Wir müssen die gesamte Transportinfrastruktur des Gegners zerstören, die gesamte Logistik, damit er nirgendwohin fliehen kann und keinen Nachschub bekommt. Deswegen müssen nicht nur Truppen und Infrastruktur, sondern auch Munitions- und Betriebsmittellager angegriffen werden. Unsere Aufklärung kann Versorgungsrouten anhand der Einsatzhäufigkeit von Radiosignalen bestimmen. Man sollte aber bedenken, dass das ukrainische Militär die Signalquellen auch zum Zweck der Täuschung verlegen kann", erklärt Onufrienko.

Zur vierten Komponente der Vereitelung der Offensive müssen Angriffe auf gegnerische Stäbe werden. Die gegnerische Seite ihrer Führung zu berauben, gilt als ein Glanzlicht der Kriegskunst. In diesem Fall handelt es sich um Beseitigung der ukrainischen Militärführung, also hochrangiger Offiziere, Befehlshaber, Generäle, auch während ihrer Besprechungen.

Die besondere Schwierigkeit besteht hierbei darin, dass solche Besprechungen zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden und von kurzer Dauer sind. Entsprechend muss der Angriff so geplant sein, dass die Waffen ihr Ziel genau dann erreichen, wenn sich der Gegner vor Ort befindet. Dabei müssen solche Besprechungen nicht unbedingt in Bunkern stattfinden, insbesondere unter Berücksichtigung der heutigen Kommunikationsmittel. Dafür können beliebige stationäre Objekte genutzt werden.

Wie aus den Meldungen des russischen Verteidigungsministeriums hervorgeht, wird diese Arbeit erfolgreich ausgeführt. So wurde etwa am 20. April der vereinigte Stab der ukrainischen Heeresgruppe "Bachmut" angegriffen.

Die fünfte Gruppe von Zielen sind Kommunikationsknoten und die Störung des Informationsaustauschs des gegnerischen Kommandos. In der Regel findet dieser intensiv einige Stunden vor dem Beginn einer Offensive statt. Alles – bis hin zu Starlink-Terminals – muss im Rahmen der elektronischen Kriegsführung mit Störsignalen belegt werden. So meldete etwa am 2. Mai die Gruppierung Süd die Vernichtung eines ukrainischen Kommunikationsknotens in der Donezker Volksrepublik.

Die sechste Gruppe von Zielen ist auch ohne aufwendige Aufklärungsarbeit bekannt. Es handelt sich dabei um Verkehrsinfrastruktur, denn ohne pünktlichen Nachschub sind keine Kampfhandlungen möglich. Die russischen Streitkräfte müssen Eisenbahnknotenpunkte, Brücken, wichtige Wegekreuze, Eisenbahn-Umspannwerke und Ähnliches angreifen. Besonders gilt dies für Routen, die die Ukraine mit Polen verbinden. Im Grunde war der Angriff auf Pawlograd eines der brillantesten Beispiele für solche Aktionen.

Auch die siebte Komponente ist wichtig, nämlich Angriffe auf Produktions- und Reparaturanlagen für Militärtechnik. "Hierbei besteht die wichtigste Aufgabe darin, alles zu zerstören, was die Deckung verlässt, sie bereits auf dem Transport abzufangen. Danach müssen Orte der Produktion und Reparatur der Militärtechnik angegriffen werden. Im Ergebnis dessen wird der Gegner die Technik von der Front zur Reparatur und zurück nicht schnell genug verlegen können. Westliche Technik wird sowieso weitab in Polen und Rumänien repariert."

Am 30. April hatte das Verteidigungsministerium die Erfüllung einer derartigen Aufgabe gemeldet: "In der Nähe der Ortschaft Swessa des Gebiets Sumy wurde eine Reparaturstätte für Kriegsgerät und Waffen der 117. Brigade der Territorialverteidigung angegriffen."

Schlussendlich besteht die achte Aufgabe aus Angriffen auf das Hinterland. In der Regel beginnen die Truppen ihren Aufmarsch, also ihre Bewegung zu den Bereitstellungsräumen für eine Offensive einige Tage oder Stunden vor der sogenannten Stunde X. Die Aufgabe der Aufklärung besteht darin, den Zeitpunkt des gegnerischen Aufmarsches und die Truppenkonzentration an bestimmten Orten aufzudecken. Und dann müssen die russischen Streitkräfte die aufmarschierenden, aber noch nicht zur Offensive übergegangenen Truppen angreifen. Die Erfüllung dieser Aufgabe steht nun noch aus – kurz vor dem unmittelbaren Beginn der ukrainischen Offensive.

"Ebenfalls wichtig ist es, bei der Bekämpfung der gegnerischen Luftverteidigung nicht nachzulassen. Die mangelhafte Luftabwehr ist ein ernsthaftes Problem des ukrainischen Militärs, weil die angreifenden Einheiten nicht in vollem Maße vor Luftangriffen geschützt werden können. Darüber hinaus ist es wichtig, jene Stäbe, die für Cyberoperationen der Ukraine verantwortlich sind, aufzuspüren und zu vernichten", erklärte der Militärexperte Alexei Leonkow.

"Denn gerade die Cyberspezialisten, darunter eine Anzahl westlicher, sichern das Kommandosystem des ukrainischen Militärs vor Ort doppelt ab für den Fall, dass wir das Satellitensystem, das sie mit Information versorgt, außer Gefecht setzen. All diese Maßnahmen werden in ihrer Gesamtheit zu hohen Verlusten des ukrainischen Militärs im Rahmen der angekündigten Offensive führen und uns helfen, die Ziele der Militäroperation zu erreichen, denn es wird für die Ukraine immer schwieriger, neue Kampfverbände aufzustellen", resümierte Leonkow.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad

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