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Ausverkauf des Lebens: Wie Digital- und Biotechkonzerne mit der "Rettung der Natur" spekulieren

Die weltbekannte indische Umweltaktivistin Dr. Vandana Shiva warnt vor den neuen Geschäftsmodellen von Digital- und Biotechkonzernen. Unter dem Vorwand der Rettung der biologischen Vielfalt wollen sie noch mehr Nahrungsmittel genmanipulieren und nach dem Modell der CO₂-Zertifikate einen Ablasshandel mit Naturaktien eröffnen.
Ausverkauf des Lebens: Wie Digital- und Biotechkonzerne mit der "Rettung der Natur" spekulierenQuelle: Gettyimages.ru © Nikom Khotjan / EyeEm

Von Felicitas Rabe

Vom 7. bis 19. Dezember fand in Montreal, Kanada, die 15. COP (UN-Artenschutzkonferenz) zum Abkommen über biologische Vielfalt (CBD) statt. Auf der 15. COP-Konferenz sollte der nächste globale Rahmen zum Kampf gegen den anhaltenden, beispiellosen Verlust der biologischen Vielfalt diskutiert werden. Die Konferenz sollte für die Steuerung der biologischen Vielfalt bis 2030 und bis 2050 maßgeblich sein. Zu den wichtigsten Themen gehörten die Finanzierung der Erhaltung der biologischen Vielfalt, die digitale Sequenzinformation (DSI) und die Steuerung neuer Biotechnologien.

Die COP15 findet zu einer Zeit statt, in der Biotech- und Agrarindustrie verzweifelt versuchen, neue Biotechnologien und entsprechende Finanzsysteme zu propagieren. Sie leisten Lobbyarbeit für die Deregulierung und dafür, neue und unerprobte Technologien schneller auf den Markt zu bringen. Dabei sollen neue Biotechnologien und grüne Finanzierungen als "nachhaltige" Lösungen für die heutige Krise angesehen werden.

Dr. Vandana Shiva, die Begründerin der internationalen Umweltorganisation Navdanya International und Trägerin des alternativen Nobelpreises, hat bereits vor der Konferenz auf die verheerenden neuen Pläne der Digital- und Biotech-Konzerne aufmerksam gemacht:

In einem Tweet schrieb sie:

"Der Vorstoß zur Digitalisierung aller Aspekte des Lebens durch digitale Sequenzinformationen (DSI) und Patente auf der Grundlage der digitalen Genomkartierung untergräbt das Übereinkommen über die biologische Vielfalt und den FAO-Saatgutvertrag."

Vor ein paar Tagen wurde die 70-jährige weltbekannte Umweltaktivistin für ihre unermüdliche Kritik an der Zerstörung und Vereinnahmung der biologischen Vielfalt durch superreiche Eigentümer von Digital- und Biotechkonzerne von der Faktenfinderabteilung der Tagesschau diffamiert. Die "Öko-Ikone" verbreite Desinformation und Verschwörungsmythen, stellten die ARD-Faktenfinder unter anderem fest.

Dabei haben es die Informationen der Umweltorganisation tatsächlich in sich und könnten womöglich für Unruhe auf den Investorenkonferenzen beim Ausverkauf des Lebens sorgen. In ihrer neuen Veröffentlichung "Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt muss sich der Kommerzialisierung allen Lebens widersetzen" warnt Navdanya ausdrücklich vor den Plänen der Digital- und Biotechkonzerne zur angeblichen Rettung der Biodiversität.

Die Umweltorganisation erklärt darin zunächst, worum es sich bei der neuen Technologie "Digitale Sequenzierte Information" (DSI) dreht: Bei der digitalen Sequenzinformation (DSI) handelt es sich um eine Biotechnologie, mit der eine Vielzahl von genetischen Informationen aus dem Genom eines Organismus effektiv gescannt werden kann. Dann wird das genetische Material von Pflanzen in eine digitale Datenbank hochgeladen.

Seit der Einführung der digitalen Sequenzierungstechnologien im Jahr 2010 wurden Milliarden von genetischen Sequenzen und sogar epigenetische Informationen oder Informationen, die sich aus Umwelt- und ökologischen Wechselwirkungen ergeben, sowie alle anderen daraus resultierenden Informationen sequenziert und in verschiedenen öffentlichen und privaten Datenbanken gesammelt. Die größten Bestände sind die öffentlichen Datenbanken.

Mit der Technologie der synthetischen Biologie können Privatunternehmen und Forschungseinrichtungen nun die digitalisierten genetischen Informationen herunterladen und die Sequenzen in einem Labor synthetisch nachbilden. Dabei umgehen effektiv die bestehenden Vorschriften über den Zugang zur biologischen Vielfalt. Mithilfe von Gen-Editing-Technologien kann dieses synthetisch erzeugte genetische Material dann zur genetischen Veränderung lebender Organismen verwendet werden. Neben anderen Anwendungen ist der die Gene-Drives-Technologie in der Entwicklung von Lebensmitteln und in der Landwirtschaft von größter Bedeutung.

Die nächste Generation genetisch manipulierter Organismen (GVO) wird jetzt in vielen Teilen der Welt mit wenig Regulierung vorangetrieben. Diese "neuen Züchtungstechniken" (NBT), "neuen genomischen Techniken" (NGT) oder, wie die EU-Kommission sie nennt, "Pflanzen, die mit bestimmten neuen genomischen Techniken erzeugt wurden", gehen über eine neue Generation von GVO-Saatgut hinaus und erstrecken sich nun auch auf Tiere in der Landwirtschaft und andere lebende Organismen.

Jetzt hat sich auch der Finanzsektor zur "Rettung der Natur" eingeschaltet. Die Finanzakteure argumentieren, dass 87 Prozent der Finanzmittel für die biologische Vielfalt aus öffentlichen Mitteln, Philanthropie und Entwicklungsinstitutionen stammen. Das würde immer noch nicht ausreichen, um den gesamten Wiederherstellungs- und Schutzbedarf zu decken. Deshalb sollten private Mittel die globale Finanzierungslücke bei der biologischen Vielfalt verringern.

Da sie anerkennen, dass alle Industrie- und Finanzmärkte untrennbar von der Natur abhängig sind, schlagen sie vor, messbare Bewertungssysteme wie "naturbasierte Lösungen", "Blue Finance" oder "Ocean Carbon/Biodiversity Credits" und "Regenerative Agriculture Credits" einzuführen, um zum Schutz dessen beizutragen, was sie als Naturwerte betrachten. Dazu gehört auch die Finanzialisierung von Biodiversität, Ökosystemleistungen und allem, was als "Naturkapital" gilt.

Und all das unter dem Deckmantel, es zu "schützen". Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, so heißt es bei Navdanya, liegt das daran, dass viele dieser Finanzierungsmodelle denen ähneln, die es bereits auf dem Klimawandel-Finanzmarkt gibt. Die Einführung dieser Systeme hat bereits begonnen, da die New Yorker Börse (NYSE) im Jahr 2021 eine neue, auf Naturkapital basierende Anlageklasse namens Natural Asset Companies (NAC) vorstellte. Der NAC soll dann theoretisch "Naturkapital" erhalten, pflegen und vermehren.

Zu den Möglichkeiten der Bewertung des "Naturkapitals", wie sie der CBD-COP vorgeschlagen wurden, gehören auch Biodiversitätskredite oder ein Finanzsystem, das Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt durch die Schaffung, den Verkauf und den Austausch von Biodiversitäts-"Einheiten" finanziert.

Aber selbst die New Yorker Börse und andere geben zu, dass die Hauptattraktivität dieser neuen Finanzsysteme in der praktisch unbegrenzten Möglichkeit der Gewinnerzielung liegt. Zu dem Potenzial an Gewinnmargen schreibt Navdanya:

"Nach Angaben von Intrinsic Exchange, dem Unternehmen, das die NYSE bei der Einführung ihrer neuen Anlageklasse unterstützt hat, kann die 'Wirtschaft der Natur' potenziell mit 4000 Billionen US-Dollar bewertet werden."

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Der Beitrag ist eine Zusammenstellung von übersetzten Auszügen, zum Teil verkürzt und kommentiert, aus der Veröffentlichung "Das Biodiveristätsabkommen muss sich der Kommerzialisierung allen Lebens widersetzen" der internationalen Umweltschutzorganisation Navdanya International.

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