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Ausbleibende russische Touristen: Europas Urlaubsorte verlieren Milliarden

Die westlichen Sanktionen gegen Russland haben auch die Tourismusindustrie Europas hart getroffen. Rund zwanzig Milliarden Euro können den europäischen Urlaubsorten durch das Ausbleiben der russischen Touristen verloren gehen.
Ausbleibende russische Touristen: Europas Urlaubsorte verlieren MilliardenQuelle: Gettyimages.ru © Pascal Le Segretain

Es sind nicht nur die fehlenden Flugverbindungen und sanktionsbedingt gesperrte Kreditkarten, die die Russen von Reisen nach Europa abhalten. Von europäischen Urlaubszielen schreckt russische Touristen die Angst vor der Russophobie ab, die seit Beginn der Ukraine-Krise alle EU-Länder erfasst hat.

Viele europäische Urlaubsorte versuchen nun, die Touristenströme aus Russland durch Gäste aus EU-Ländern zu ersetzen, die nach der Pandemie auf dem Vormarsch sind. Es ist jedoch fraglich, ob die Tourismusindustrie die gleichen Gewinne erzielen wird wie zuvor.

Russland ist ein bedeutender Markt für mehrere Urlaubsländer, darunter Griechenland, Zypern, Spanien und Italien. Im vergangenen Jahr haben die Russen mehr als 21 Milliarden Euro in die europäischen Urlaubsorte gebracht, so die Online-Zeitung Lenta.ru. Wie sie berichtet, hätten die Russen im Jahr 2019 rund eine Milliarde Euro nur für Reisen nach Italien ausgegeben. Heute seien die Prognosen enttäuschend. Laut Lenta.ru schätze die italienische Nationalagentur, dass allein Rom aufgrund des starken Rückgangs der russischen Touristenströme mindestens 150 Millionen Euro verliert. In Spanien sei die Situation ähnlich. Nach Schätzungen des Spanischen Tourismusinstituts belaufe sich der Schaden auf etwa 1,4 Milliarden Euro.

In einigen Regionen sei das Ausbleiben russischer Touristen ein Todesurteil für die Tourismusindustrie. Wie in der italienischen Stadt Scalea im Süden des Landes. "Wir stehen vor dem Aus. Die Russen kommen nicht mehr", sagte der Besitzer eines Restaurants gegenüber der britischen Zeitung The Guardian. In den letzten zehn Jahren sei die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes hauptsächlich von den russischen Touristen vorangetrieben worden, so die Zeitung.

In vielen Fällen habe die Abwanderung russischer Touristen negative Auswirkungen auf verwandte Bereiche des Tourismus. Lenta.ru verweist auf die finnische Stadt Lappeenranta, die nur wenige Dutzend Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegt. Viele Petersburger hätten früher den Flughafen dieser Stadt für Flüge nach Europa genutzt. Jetzt gebe es hier viel weniger Touristen, und wie die schwedische Zeitung SVT schrieb, würden viele Einheimische Gefahr laufen, deswegen arbeitslos zu werden.

Zypern gehe es ähnlich. Wie aljazeera.com berichtete, hätten die Russen im vergangenen Jahr ein Viertel der zwei Millionen Besucher Zyperns ausgemacht und damit rund 290 Millionen Euro eingebracht – ein Fünftel der Tourismuseinnahmen des Landes. Das Ausbleiben der russischen Touristen und die hohen Energiepreise würden in diesem Jahr zu einem Nettoverlust von 0,9 Prozent auf dem Tourismusmarkt führen. Das könnte relativ unbedeutend sein, wenn nicht viele Russen ihren Urlaub auf Zypern mit geschäftlichen Aktivitäten wie Investitionen und Bankgeschäften verbinden würden, so Al Jazeera.

Die Leiterin des Beratungsunternehmens Sapienta Economics, Fiona Mullen, schätzte im Gespräch mit Al Jazeera, dass die russischen Unternehmen bis zu 4,8 Prozent des zypriotischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen würden. Sie erklärte:

"Es gibt bestimmte Betriebe, die sehr stark auf das Geschäft mit Russland angewiesen sind – einige der Hotels, die nur Pauschalreisen anbieten, und einige Rechts- und Compliance-Unternehmen, die sehr stark von russischen Kunden abhängig sind."

Man vermisse die Russen auch in Montenegro, sagte die Inhaberin eines Immobilienbüros gegenüber Lenta.ru. Ihr zufolge seien dieses Jahr um ein Vielfaches weniger Russen in Budva als letztes Jahr.

"Touristen aus Russland wurden in den Ferienorten durch Ukrainer ersetzt, die gezwungen waren, ihr Land zu verlassen, aber über Geld verfügen. Diese Menschen sind nur auf sich selbst angewiesen – hier gibt es keine Unterstützung für Flüchtlinge im eigentlichen Sinne. Sie mieten also eine Unterkunft zu Sommerpreisen. Es gibt auch viele Polen, Franzosen und Briten. Dies gilt jedoch hauptsächlich für Mietunterkünfte. Im Dienstleistungs- und Unterhaltungssektor beklagt man sich über die Abwesenheit der Russen", erklärte sie.

Nach Angaben des Spanischen Instituts für Tourismus gebe der durchschnittliche Russe etwa 175 Euro pro Nacht im Urlaub aus. Das ist viel mehr als beispielsweise bei den Deutschen mit 138 Euro und den Franzosen mit 99 Euro. Selbst wenn russische Touristen durch Urlauber aus anderen Ländern ersetzt würden, würden sie den europäischen Urlaubsorten wahrscheinlich nicht den gleichen Gewinn bringen. Die Besitzerin eines Reisebüros in Montenegro erklärte gegenüber Lenta.ru:

"Der Besitzer eines Reiseunternehmens hat mir einmal gesagt, die Europäer hätten für ihren Urlaub ein Budget, das sie niemals überschreiten würden. Aber die Russen geben alles aus. Sie leben nach dem Motto: Lieber werde ich nach dem Urlaub sparen, im Urlaub aber lasse ich es mir gut gehen."

Vielleicht hoffe Europa deshalb immer noch auf die Rückkehr russischer Touristen, so die Zeitung. In den Ferienorten hängen nach wie vor Schilder in russischer Sprache, die Restaurants haben noch immer russische Speisekarten – und die Einheimischen erinnern sich, wie die russische Kunden Autos und Jachten mieteten, Kleidung und Souvenirs kauften und ihr Geld für Freizeitaktivitäten oder Essen freizügig ausgaben.

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