Deutschland

Genozid: Was der IGH in Den Haag verhandelt, darf auf der Berlinale nicht ausgesprochen werden

Ein Dokumentarfilm, gedreht von einem Palästinenser und einem Israeli, gewann den Preis der Berlinale. Aber statt diesen Film als Signal für den Frieden zu bejubeln, wird ein Skandal daraus gemacht, dass die Filmemacher sich zu den israelischen Massakern äußerten.
Genozid: Was der IGH in Den Haag verhandelt, darf auf der Berlinale nicht ausgesprochen werdenQuelle: www.globallookpress.com © Nadja Wohlleben

Die Preisverleihung beendete die Berlinale, und die Abschlussveranstaltung wird ebenso zum Skandal gemacht wie die Eröffnung. Während es zu Beginn die (den parlamentarischen Gepflogenheiten entsprechende) Einladung an AfD-Politiker zur Eröffnung war, die nach Presseberichten zurückgezogen wurde, waren es bei der Preisverleihung Aussagen der Preisträger.

Es ging dabei um den palästinensisch-norwegischen Dokumentarfilm "No Other Land" (Kein anderes Land), der den Dokumentarfilmpreis erhalten hat. Der Film ist eine von den Beteiligten selbst berichtete Geschichte von Begegnung und Zusammenarbeit eines palästinensischen Aktivisten und eines israelischen Journalisten, bei der versuchten Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus den Dörfern von Masafer Yatta bei Hebron. Er dokumentiert also nicht nur die Wirklichkeit der israelischen Besatzung, sondern belegt gleichzeitig eine Kooperation, die die Front des gegenwärtigen Krieges überschreitet.

Bei der Premiere des Films bezeichneten die beiden Filmemacher Basel Adra und Yuval Abraham Israel als Apartheidstaat. Eine Formulierung, die in Deutschland untersagt ist, die aber jüngst im südafrikanischen Vortrag bei der Verhandlung vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag bekräftigt wurde.

Bei der Preisverleihung erklärte nun Basel Adra, es sei schwer für ihn, den Preis zu feiern, während "Zehntausende Menschen in Gaza geschlachtet" würden, und er forderte Deutschland auf, keine Waffen mehr nach Israel zu liefern.

Auch der Regisseur des Dokumentarfilms "Direct Action", der die lobende Erwähnung erhielt, Ben Russell, äußerte sich zum gleichen Thema. Er trat mit einem Palästinensertuch um die Schultern auf die Bühne und sagte:

"Natürlich stehen wir auch hier für das Leben, und wir stehen gegen den Genozid und für einen Waffenstillstand in Solidarität mit all unseren Genossen."

Die deutschen Medien berichteten darüber entsprechend empört. "Applaus für Israelhass auf der Berlinale" titelte die Bild, "Solidarität mit Gaza, Schweigen zur Hamas" der Spiegel, und selbst die Berliner Zeitung sah "Eklat auf Berlinale: Preisträger bezichtigen Israel des Genozids – das Publikum applaudiert".

"Das Publikum reagierte mit starkem Applaus und Jubel. Auch auf der Bühne wurde geklatscht, eine Einordnung erfolgte von keiner Seite. Jurymitglied Véréna Paravel hatte einen Zettel mit der Forderung nach einem Waffenstillstand an den Rücken geklebt, als sie Adra den mit 40.000 Euro dotierten Preis überreichte," schreibt der Spiegel. Die Tatsache, dass die Anwesenden die Aussagen zu Israel beklatschten, scheint ein besonderer Grund zur Empörung zu sein, ungeachtet der Tatsache, dass der Vorwurf des Genozids gegen Israel dem Internationalen Gerichtshof plausibel genug schien, dass er zur Verhandlung angenommen wurde.

Inzwischen gibt es bereits Äußerungen von Politikern dazu. Der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz twitterte:

"Es ist schlicht ekelhaft und eine perfide Täter-Opfer-Umkehr."

Der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz, Vorsitzender des Kulturausschusses, erklärte, das "müssen wir als Bundeskulturpolitik sehr genau auswerten"; es habe "mehrfach unwidersprochen antiisraelische Statements gegeben", "mit Kunstfreiheit hat das nichts zu tun." Der ehemalige Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck, jetzt Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, twitterte:

"Gibt es jemanden, der dafür jetzt Verantwortung übernimmt und daraus Handlungsnotwendigkeiten ableitet? Irgendjemand?"

Auch wenn die veröffentlichte Meinung ebenso wie die Aussagen deutscher Politiker weitgehend die israelische Sicht wiedergeben, ist weltweit die Wahrnehmung doch eine andere, was sich bei einem Filmfestival mit großer internationaler Beteiligung notwendigerweise widerspiegelt. Zu skandalisieren, dass die dort vertretene Wahrnehmung der deutschen Sondermeinung widerspricht, könnte darauf abzielen, die Verbreitungsmöglichkeiten des prämierten Films in Deutschland einzuschränken. Weil unter diesen Bedingungen kaum noch ein Verleih oder Aufführungsorte zu finden sind, von einer Ausstrahlung im gebührenfinanzierten Fernsehen ganz zu schweigen.

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