Deutschland

Neue NATO-Kommunikationsstrategie: Die Ukraine ist Sieger, weil sie verliert

Der Westen sucht nach einem auch für die Ukraine gesichtswahrenden Ausstiegsszenario. Die Ukraine soll den Konflikt einfrieren und Gebiete abtreten. Dafür wird der Westen die Ukraine zum Sieger erklären. Diese Kommunikationsstrategie wird forciert. Zuletzt in einem Interview in der SZ.
Neue NATO-Kommunikationsstrategie: Die Ukraine ist Sieger, weil sie verliertQuelle: www.globallookpress.com © Philipp Schulze

Von Gert Ewen Ungar

Mit der Änderung der Sprachregelung wird der Ukraine der Weg zu einem gesichtswahrenden Einfrieren des Konflikts geebnet. Bereits vor einem Monat hob NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die angeblich enormen Erfolge der Ukraine hervor. 50 Prozent der zuvor von Russland eingenommenen Gebiete hätte sie zurückerobert, im westlichen Teil des Schwarzen Meeres hätte sie Russland ebenfalls zurückgedrängt. Dieses Narrativ wurde von der deutschen Politik übernommen. Die deutsche Außenministerin und auch der Bundeskanzler verbreiten es nahezu wortgleich. 

Auch in den USA drängt man hinter den Kulissen darauf, dass sich die Ukraine zum Sieger erklärt und einen Waffenstillstand herbeiführt. Der Konflikt soll eingefroren werden, die Ukraine soll Territorium abtreten, dafür erhält sie im Gegenzug das gesichtswahrende Narrativ, dass sie die eigentliche Siegerin des Konfliktes ist. 

In einem ausführlichen Interview mit der Süddeutschen Zeitung stimmt Generalmajor Christian Freuding, Berater von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die Deutschen nun ebenfalls auf diese neue Kommunikationsstrategie ein. Wie schon Baerbock, wiederholt auch er nahezu identisch die Äußerungen Stoltenbergs.

"Aus meinem militärischen Blickwinkel betrachtet, haben die ukrainischen Streitkräfte Erfolg. 80 Prozent der Ukraine sind immer noch frei, und das nach zwei Jahren gegen eine angebliche militärische Großmacht. 50 Prozent der Gebiete, die sie verloren hatten, haben sie wiedergewonnen. Die Schwarzmeerflotte der Russen ist de facto aus dem westlichen Schwarzmeer verdrängt."

Damit soll der Misserfolg der Gegenoffensive relativiert und der Ukraine eine gesichtswahrende Brücke gebaut werden, die es ihr erlaubt, Gebietsabtretungen und das Einfrieren des Konflikts als Sieg zu verkaufen. Dazu gehört auch, dass er hervorhebt, dass Russland die Ukraine nicht eingenommen habe. Freuding weiß, dies war niemals das Ziel Russlands. Diese Behauptung, die alle NATO-Propagandisten inzwischen in ihr Repertoire aufgenommen haben, dient lediglich der Umdeutung einer Niederlage in einen angeblichen Sieg. Freuding beschreibt die russische Strategie, die maßgeblich mit dafür verantwortlich ist, dass die Ukraine faktisch nicht vorrücken konnte. Die Frontlinie ist zum Teil kilometertief vermint. 

"Die Minensperren haben teilweise eine Breite und Tiefe von mehreren Kilometern. Wenn ein Panzergrenadierzug auf so eine Minensperre trifft, dann bilden wir aus: Nebel, ausweichen, umgehen, neu ansetzen. Bei einer Sperre von bis zu zehn Kilometern Ausdehnung ist dieser taktische Ansatz unmöglich."

Die von Deutschland gelieferten Minenräumgeräte würden von Russland im freien Feld sofort zerstört, ergänzt er. An diesen Absatz schließt die SZ die Schlüsselfrage an: 

"Muss man befürchten, dass sich da eine Art Grenze zementiert?"

Genau darum geht es für die westlichen Unterstützer gerade. Die Ukraine soll diese Grenze anerkennen und den Konflikt einfrieren. Nur offen gesagt wird es noch nicht. Auch Freuding schließt sich dieser Strategie des halboffenen Aussprechens an. 

"So weit würde ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gehen",

ist seine Antwort.

Etwas später im Interview wird Freuding präziser. Militärisch sei die Rückeroberung der befreiten Gebiete, einschließlich der Krim, nicht möglich. Es müsse aber auf der politischen Tagesordnung bleiben. Die Ukraine solle ihren Anspruch auf die Gebiete aufrechterhalten, ihre Wiedereingliederung aber auf einen unbekannten Zeitpunkt in der Zukunft verschieben. Deutschland lebte mit dieser Lösung, die eine Teilung bedeutet, vierzig Jahre, Korea tut es noch. 

"Das politische Ziel muss sein, die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine wiederherzustellen. Ob das aus der taktischen Operationsführung im Jahr 2024 entstehen kann, lässt sich heute noch nicht abschließend bewerten. Aber natürlich muss der Anspruch zur Wiederherstellung der territorialen Integrität unverändert bleiben."

Passend zur vorgegebenen Kommunikationsstrategie hebt auch er die Verdienste des ukrainischen Militärs hervor. Die russische Armee sei geschwächt, die personellen Verluste seien enorm, behauptet der Generalmajor. Auch das gehört zur strategischen Kommunikation. Die Ukraine hat eigentlich gesiegt, die Verluste Russlands an Mensch und Material sind enorm, ist der von der NATO vorgegebene rhetorische Rahmen. Überprüfen lassen sich all die von Freuding gebrachten Zahlen natürlich nicht. 

Faktisch aber gab es in Russland eine Mobilisierungswelle, bei der 300.000 Männer eingezogen wurden. Danach wurde nur noch für den "Dienst unter Vertrag" geworben. Anders sieht es in der Ukraine aus. Die Entwicklungen dort sind deutlich dramatischer, lässt sich an den zahlreichen Mobilisierungswellen und den Bildern von Zwangsrekrutierungen ablesen.

Im weiteren Verlauf des Interviews gesteht Freuding dann faktisch die Überlegenheit der russischen Armee auch im Vergleich mit der Bundeswehr ein. 

"Eine wichtige Lehre ist sicherlich die völlig neue Bedeutung von Drohnen-Kriegsführung, von Automatisierung, von der Verkürzung von Aufklärungs- und Wirkungszusammenhängen, von der Vernetzung des Gefechtsfelds. Mit Blick auf unsere Führungsfähigkeit: Die Gefechtsstände, die wir heute haben, sind eigentlich Kleinstädte. Die hätten in ihrer derzeit doktrinär vorgesehenen Form wahrscheinlich auf dem Gefechtsfeld der Ukraine die Überlebensfähigkeit von wenigen Minuten."

Man müsse aufpassen, dass man Russland nicht unterschätze, warnt der Generalmajor. Genau das aber ist passiert und führt sowohl militärisch, aber auch im Sanktionskrieg zur Niederlage der Ukraine und des Westens. Freuding wiederholt auch die absurde Behauptung, Russland sei zur Kriegsführung auf den Import westlicher Kühlschränke angewiesen. Damit legt Freuding ganz deutlich offen, dass er ausschließlich dem westlichen Propaganda-Narrativ folgt. 

Es stimmt, dass die Sanktionen nicht funktionieren. Über Drittländer, die sich dem völkerrechtswidrigen westlichen Sanktionsregime nicht angeschlossen haben, kann Russland alles importieren. Warum es aber zunächst Kühlschränke importieren sollte, um dann dort Mikrochips auszubauen, die es dann in Waffen einbaut, bleibt das Geheimnis nicht nur des Generalmajors, sondern auch der westlichen Propaganda-Strategen. Sollte Russland tatsächlich auf Halbleiter aus dem Ausland angewiesen sein, könnte es diese auch problemlos ohne Kühlschrank drumherum importieren.

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