Deutschland

Nord-Stream-Debatte im Bundestag: Nicht-Themen und Kiesewetters Verschwörungstheorien

In der Aktuellen Stunde im Bundestag versuchten Abgeordnete von CDU, SPD, Grünen und FDP am Freitag möglichst, die Enthüllungen des Investigativjournalisten Seymour Hersh zu den Nord Stream-Anschlägen für irrelevant zu erklären. Besonders obskur wirkte jedoch eine Aussage von Roderich Kiesewetter.

Die AfD-Fraktion hat im Bundestag eine Aktuelle Stunde durchgesetzt, um "Anschläge auf deutsche und europäische Infrastruktur" zum Thema zu machen. Dabei waren insbesondere die Anschläge auf die Nord Stream-Pipelines das zentrale Thema. Die Anschläge hatten durch den Enthüllungsbericht des preisgekrönten Journalisten Seymour Hersch in der Öffentlichkeit neue Aufmerksamkeit erfahren. Aus diesem geht hervor, dass die USA die Drahtzieher dahinter sein sollen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) war entschuldigt und blieb der Debatte fern. Auch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) blieb der Aktuellen Stunde fern, eine von der AfD beantragte Herbeirufung Habecks wurde vom restlichen Parlament abgelehnt.

Till Steffen, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, erklärte das Thema gleich zu Beginn der Debatte als irrelevant, die AfD habe ein "echtes Nicht-Thema" angemeldet, und bezeichnete die jüngsten Entwicklungen in der Aufklärung der Anschläge als "Verschwörungsthese". Tino Chrupalla, Co-Vorsitzender der AfD, erklärte in seiner Rede, die Anschläge hätten gezeigt, dass die Sicherheit Deutschlands auf verschiedenen Ebenen in Gefahr sei, und forderte, dass die Regierung alles daran setzen müsse, die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines aufzuklären.

"Es handelt sich hier um die schwerste terroristische Aktion seit dem Zweiten Weltkrieg."

Bis heute liegen jedoch keine Erkenntnisse über die Täter vor, überall herrsche "lautes Schweigen", so Chrupalla. Zumindest habe sich der Generalbundesanwalt kürzlich geäußert, dass es derzeit nicht belegbar sei, die Verantwortung bei Russland zu suchen.

"Und da frage ich: Welche Rolle spielen unsere europäischen Nachbarn und so viel beschworenen guten Freunde? [...] Weshalb weigert sich Schweden, über die eigenen Ermittlungsergebnisse zu informieren? Welche Rolle spielt Polen in diesem Spiel? [...]"

Man habe ein Recht auf Aufklärung, fuhr Chrupalla fort, denn dieses "ewige Schweigen der Bundesregierung sei der Nährboden für Gerüchte und Verschwörungstheorien". Sebastian Fiedler von der SPD bezichtigte die AfD daraufhin der "Skandalisierung": Es sei nicht die Aufgabe des Parlaments, sondern des Generalbundesanwaltes, zu ermitteln. Dies geschehe auch, dauere durch den Tatort unter Wasser jedoch eine gewisse Zeit. Ähnlich sei dies bei den noch nicht aufgeklärten Anschlagsversuchen auf die Deutsche Bahn, auch hier werde noch ermittelt.

Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter argumentierte ähnlich. Zudem habe der "Autor des Artikels" zu den Nord Stream-Anschlägen seine Quelle nicht benannt, moniert Kiesewetter weiter. Weiterhin erklärte er, bei den Anschlägen frage er sich nicht, ob Hersh Recht habe, sondern, wem es nütze, dass bei den Anschlägen eine Leitung scheinbar intakt blieb. Faktenwidrig und offenbar von verschwörungstheoretischen Ansätzen geprägt behauptete Kiesewetter auch, dass Russland mehrere Tage nach den Anschlägen mit Hochdruck Gas durch die Leitungen gesendet habe:

"Doch nicht, um die Spuren zu konservieren, sondern um die Spuren zu verwischen."

Die Linken-Politikerin Sevim Dağdelen kritisierte hingegen, dass mittlerweile ein Verlautbarungsjournalismus in der Bundesrepublik vorherrsche. Hersh habe sich immer gegen einen solchen Verlautbarungsjournalismus gestellt:

"Heute geht es so weit, dass privat finanzierte, sogenannte Faktenchecker auf die Zersetzung der Opposition zur Kriegspolitik hinarbeiten und erklären quasi amtlich, was richtig ist und was nicht richtig zu sein hat."

Hersh habe Journalismus eben nicht als staatlich gelenkte Meinungsproduktion verstanden. Umso augenfälliger sei es, dass Hershs Enthüllungen in den Öffentlich-Rechtlichen und den Leitmedien so gut wie gar nicht vorkommen. Man könne sich eben nicht bis in alle Ewigkeit hinter den Ermittlungen des Generalbundesanwaltes verstecken, so Dağdelen.

"Ich will gar nicht mutmaßen, warum es diesen mangelnden Aufklärungswillen der Bundesregierung zu geben scheint."

Weiterhin erklärte sie:

"Man muss vielleicht nicht unbedingt annehmen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Baerbock nicht einmal alleine zum Bäcker gehen, ohne sich vorher die Erlaubnis der US-Administration abgeholt zu haben. Aber für immer mehr Menschen wird es offenbar, dass der Verzicht der Bundesregierung auf eine eigenständige und diplomatische Außenpolitik, die sich nicht in einem Hörigkeitsverhältnis zu den USA begreift, zu einem der immer größeren Probleme für die Sicherheit der Bevölkerung zu werden droht."

Dağdelen plädierte für eine internationale Untersuchungskommission unter Schirmherrschaft der UN und verwies außerdem darauf, dass erst vor wenigen Stunden ein von 69 Intellektuellen unterzeichnetes Manifest für Friedensverhandlungen erschien.

Der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle erklärte, eine Aufklärung sei "wünschenswert", derzeit gebe es aber keine neuen Erkenntnisse. Daher verbiete sich jegliche Spekulation, insbesondere mit Blick auf die "unseriösen Quellen". Kuhle monierte zudem, dass Dağdelen das "Friedenspamphlet von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer" erwähnte und behauptete, dass der russische Präsident Wladimir Putin die Ukraine "vernichten" wolle. Zudem behauptete er, dass die "Ränder", also Die Linke und die AfD, unter dem Einfluss Moskaus stehen würden, und bezeichnete den AfD-Abgeordneten Markus Frohnmaier als "Moskaus besten Mann" und "Moskaus Agenten".

Frohnmaier, der nach Kuhle sprach, erklärte wiederum, dass das Thema viel zu ernst sei, als dass man auf so eine Art und Weise Polemik betreibe. Er sprach weiter von einem Totalversagen der Bundesregierung angesichts der Tatsache, dass selbst er als Abgeordneter auch "137 Tage, nachdem Nord Stream in die Luft gesprengt wurde", immer noch nichts zu den Verantwortlichen wisse.

"Weil in diesen 137 Tagen die Regierung von Scholz, Baerbock und Habeck nichts, null, keinen Nanometer zur Aufklärung beigetragen hat. Die Regierung der viertgrößten Volkswirtschaft auf der Erde weiß nach fast fünf Monaten immer noch nicht, wer uns vor der eigenen Haustür angegriffen hat."

Man könne dies nun verschieden deuten, so Frohnmaier weiter:

"Die freundlichste Deutung dieses Totalversagens ist, dass unsere Regierung aus inkompetenten Gauklern besteht, die man weder in Moskau noch in Washington noch in Oslo ernst nimmt. Im schlimmsten Fall heißt es etwas ganz anderes: dass diese Regierung kein Interesse an Aufklärung hat. Dass diese Regierung die Wahrheit unterdrückt. Dass diese Regierung nicht im deutschen Interesse, sondern im Interesse des Auslands handelt."

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