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Problematik um Nussknacker-Ballett: Interview mit Historikerin und Staatsballett-Chefin

Dieses Jahr verzichtet das Staatsballett Berlin auf seine traditionelle Nussknacker-Aufführung. In einem Interview erklärt die kommissarische Staatsballett-Chefin, warum Don Quijote diesmal dem Nussknacker vorgezogen wurde. Die Historikerin wiederum kritisiert diese Entscheidung.
Problematik um Nussknacker-Ballett: Interview mit Historikerin und Staatsballett-ChefinQuelle: Reuters © TOBY MELVILLE

Das weltweit bekannte Märchen-Ballett Der Nussknacker, das vielen besonders in der Vorweihnachtszeit in Erinnerung kommt, wird in diesem Jahr vom Staatsballett Berlin nicht aufgeführt. Der klassischen Darstellung wird Rassismus vorgeworfen. Die Entscheidung sorgte wiederum für öffentliche Kritik. RT DE sprach mit der kommissarischen Staatsballett-Chefin Christiane Theobald sowie mit der Historikerin Prof. Dr. theol. Dorothea Wendebourg.

Christiane Theobald erklärte, dass der Nussknacker diesmal nicht inszeniert wird, da sich das Ballett-Team für Don Quixote entschieden habe. Sie unterstrich, das bedeute nicht, dass man sich gegen etwas entschieden habe, sondern für etwas, nämlich für Don Quijote. Theobald teilte mit:

"Wir hatten nach dieser langen Zeit der wenigen Vorstellungen ganz große Lust auf etwas, wo wir virtuose Tanzkunst zeigen können, einen großen klassischen Titel."

Unterdessen betonte Christiane Theobald, dass klassische Werke, etwa Dornröschen oder Schwanensee, weiterhin inszeniert werden. Die kommissarische Chefin des Staatsballetts Berlin betonte in diesem Zusammenhang:

"Es ist auch die Verpflichtung eines Staatsballetts Berlin, dieses Kulturgut dieser großen Ballette eben zu zeigen."

Allerdings findet Theobald, dass historische Kunstwerke in unseren Zeiten kontextualisiert, problematisiert und neu eingeordnet werden sollten, da sich die Gesellschaft verändert habe. Darin liege die Aufgabe der modernen Kunst zu hinterfragen, hieß es weiter. Auf die Frage, ob man Werke verändern sollte, antwortete die kommissarische Staatsballett-Chefin wie folgt:

"Ist auch ein ganz schwieriges Thema. Man kann ja nicht einfach so in das Urheberrecht – wie im jetzigen Fall – von Choreografen eingreifen. Es ist gut, wenn man mit ihnen noch sprechen kann und sie auf die Probleme hinweisen kann und dann vielleicht zu neuen Fassungen kommt. Das geht aber natürlich nicht, wenn man die Rekonstruktion eines Werkes macht, das schon soundso alt ist."

Was die Kritik in Bezug auf den diesjährigen Verzicht der Nussknacker-Darstellung betrifft, empfiehlt Christiane Theobald, den Gegnern der Entscheidung zuzuhören und von A bis Z das zu lesen, was gesagt wird. Ihr zufolge merke man dann, dass der Entschluss durchaus einen Hintergedanken habe:

"Insofern würde ich doch für eine Offenheit plädieren und dafür, sich darauf einzulassen und sich einfach die Werke auf der Bühne anzuschauen und so wir eben begleitende Workshops anbieten, diese auch zu besuchen."

Es habe bereits viele Jahre gegeben, wo das Staatsballett Berlin keinen Nussknacker zu Weihnachten gezeigt habe, sondern ein anderes großes Ballett der klassischen Literatur, merkte Theobald an. Diesmal sei das der Fall, aber das bedeute nicht, dass das Nussknacker-Ballett für immer in die Vergangenheit gerate, hieß es weiter.

Die Historikerin Prof. Dr. theol. Dorothea Wendebourg erklärte wiederum, dass sie die Absage des Nussknackers überhaupt nicht verstehen könne. Es sei eine wunderbare Produktion, die außerordentlich beliebt sei. Die Tatsache, dass dieses Ballett aus einer anderen Zeit sei, mache seinen Charme aus, so die Historikerin. Sie betonte diesbezüglich:

"Und wenn man zum Ausdruck bringen will, dass wir das heute anders machen würden, kann man das ins Programmheft schreiben. Aber wenn man schon eine historische Produktion macht, dann sollte man sie auch als solche stehen lassen."

Dorothea Wendebourg teilte mit, dass in 30 bis 40 Jahren genauso unsere Ansichten kritisch betrachtet würde, da sich die Geschichte ändere. Daher sei es unsinnig, von historischen Dingen zu verlangen, dass sie unseren aktuellen Normen entsprechen, hieß es weiter. Die Historikerin brachte zum Ausdruck:

"Wir sind nicht der Maßstab für die gesamte Geschichte."

Zudem sagte Wendebourg, dass sie nicht überrascht sei, dass der Verzicht auf den Nussknacker auf massive Kritik stieß. Sie verkündete in diesem Zusammenhang:

"Der Zauber des Ganzen ist so groß, dass es einfach ein Jammer ist, jetzt plötzlich daran herumzubasteln oder es gar ganz herauszunehmen."

Auf die Frage, ob für die Zukunft weitere Absagen historischer Werke zu erwarten sind, antwortete die Historikerin, dass, solange dies ein vorherrschender Trend sei, wir eine Reihe weiterer Absagen und damit auch eine Reihe von kulturellen Verlusten zu ertragen haben werden.

Der Nussknacker ist ein Ballett des russischen Komponisten Pjotr Tschaikowski in zwei Akten nach einem Libretto von Marius Petipa, das auf E. T. A. Hoffmanns Erzählung "Der Nussknacker und der Mäusekönig" basiert. Das Ballett wurde am 6. Dezember 1892 im Mariinski-Theater in Sankt Petersburg uraufgeführt. Seitdem ist das Kunstwerk immer wieder auf den Weltbühnen zu sehen und verzaubert jüngere und ältere Generationen gleichermaßen.

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