Europa

Rampen an den Schengengrenzen oder: "Schengen ist nicht tot, aber kaputt"

Slowenien hat an seinen Grenzen zu Ungarn und Kroatien wieder Grenzkontrollen eingeführt, was auf dem Balkan für Unruhe gesorgt hatte. Selbst der österreichische Innenminister Gerhard Karner erklärte bei einem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg: "Schengen ist nicht tot, aber kaputt".
Rampen an den Schengengrenzen oder: "Schengen ist nicht tot, aber kaputt"Quelle: AFP © DENIS LOVROVIC

Von Marinko Učur

Die Ankündigung Sloweniens, sich der Gruppe jener EU-Länder anzuschließen, die an ihren Grenzen zu Ungarn und Kroatien wieder Grenzkontrollen einführen, hat auf dem Balkan für große Besorgnis und Unruhe gesorgt. Nämlich knapp nachdem Kroatien am 1. Januar dieses Jahres Mitglied des Schengenraums wurde, hat die Möglichkeit der Wiedererrichtung von Kontrollpunkten vor allem jene beunruhigt, die in diesem Alpenland wirtschaftlich tätig sind.

Übrigens hat Slowenien als ehemaliges Mitglied der Jugoslawischen Föderation seine Türen jenen Arbeitnehmern aus anderen Balkanländern weit geöffnet, die aufgrund ihrer geografischen Nähe ihre Wochenendferien in ihren Heimatländern verbringen – Bosnien, Serbien und Nordmazedonien.

Der offizielle Grund für die Aussetzung des Schengen-Abkommens an den Grenzen zu Kroatien und Ungarn ist, nach der offiziellen Erklärung Ljubljanas, die "erhöhte Gefahr terroristischer Bedrohungen". In den letzten Tagen hat das Land seine Bewertung der Terror-Risiken auf ein mittleres Niveau angehoben. "Wir sehen, was in Frankreich und Belgien passiert ist. Slowenien ist keine Ausnahme. Ich glaube, dass wir dadurch die Sicherheit Sloweniens erhöhen, was für uns Vorrang hat. Die Lage im Nahen Osten ist komplex, wir müssen alles tun, was wir im Rahmen der Sicherheit Sloweniens verpflichtet sind, zu tun", warnte der slowenische Polizeiminister Boštjan Poklukar und fügte hinzu, dass man präventive zusätzliche Kontrollen auf der Balkan-Migrantenroute einführen wolle. Inoffiziellen Informationen zufolge können EU-Bürger alle Grenzübergänge normal passieren, während Drittstaatsangehörige nur 14 Land- und acht Bahnübergänge überschreiten können, an denen es selektive Kontrollen durch Angehörige der Grenzpolizei geben wird. Dänemark war bereits früher unter den ersten, die Kontrollen an seinen Grenzen einführten, wie z. B. Deutschland an seiner Grenze zu Österreich. Das kündigte jüngst auch Italien an seiner Grenze zu Slowenien an.

Doch allen Befürchtungen und terroristischen Bedrohungen zum Trotz ist allen bewusst, dass die Wiederherstellung der Grenzkontrollen terroristische Aktionen kaum vorbeugen kann. Aber es kann Misstrauen gegenüber dem gesamten Schengenprojekt hervorrufen, mit dem Brüssel gerne prahlt. In einigen Ländern, beispielsweise in Kroatien, wird offen über das Misstrauen zwischen bestimmten Ländern diskutiert, und dass dies der Hauptgrund für die Einführung von Kontrollen ist, die in Slowenien am Samstag, dem 21. Oktober, beginnen.

Es ist klar, dass die europäischen Hauptstädte angesichts der jüngsten Ereignisse in Israel und im Gazastreifen Angst haben und sich angesichts des bereits großen Migrantenzustroms aus der Ukraine an jeden Strohhalm in einer Art Schließung ihrer eigenen Grenzen greifen.

Wirtschaftskreise protestieren und behaupten, dass der normale Personen- und Warenverkehr verlangsamt oder sogar unmöglich sein wird, doch die Befürchtungen überwiegen, die mit der Zunahme terroristischer Bedrohungen die Migrantenzuströme aus dem Südosten zunehmen. Ungarn gehört zu den Ländern, die die meisten Fortschritte zum Aufhalten illegaler Migranten an der Grenze zu Serbien erzielt hat, während es mit Kroatien schwierig ist, wenn man bedenkt, dass es zwischen den beiden Ländern keine Grenzen gibt und beide zum Schengenraum gehören. Es gibt immer mehr europäische Beamte, die vorerst stillschweigend das Verhalten Ungarns rechtfertigen, das seine eigenen Grenzen beharrlich vor der Invasion von Migranten schützt. Die Folge des Verhaltens Budapests ist eine heftige Kritik aus Brüssel, obwohl die EU keine Lösung für die sich abzeichnende Migrantenkrise und die allgegenwärtigen Schengenrampen hat. Man gewinnt den Eindruck, dass die Regierung von Viktor Orbán nicht aufgibt und mit einer solchen Haltung gegenüber der Migration immer mehr Unterstützer außerhalb Ungarns hat.

"Schengen ist nicht tot, aber kaputt", erklärte der österreichische Innenminister Gerhard Karner bei einem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg eindringlich und forderte eine drastische Veränderung des Zustands im Bereich Asylpolitik durch einen besseren Schutz der Außengrenzen der Europäischen Union. "Wir machen das nicht, um Reisende zu verärgern, sondern um Schmuggler dingfest zu machen", erklärte der Minister.

Dies würde nach Ansicht der Mehrheit der europäischen Innenminister bedeuten, dass in den neuen Verfahren eine Mehrzahl an Asylbewerbern und Migranten bereits unmittelbar an den Außengrenzen der Union abgewiesen würden. Das setzt jedoch neue und beschleunigte Gesetzgebungsverfahren im Europäischen Parlament voraus, und zwar bereits gegen Jahresende, sodass in spätestens zwei Jahren alles operativ wird. Unterdessen müssen nach Angaben der deutschen Innenministerin Nancy Faeser außerordentliche Grenzkontrollen innerhalb des "Schengenraums" auf "vorübergehender Basis" aufrecht gehalten werden.

Und bis dahin bleiben Sicherheitsherausforderungen und -ängste bestehen. Auffällig ist, dass die Forderungen nach verstärkten Abschiebungen von Personen ohne Aufenthaltsberechtigung in den Ländern des Schengen-Raums zunehmen. Allein in diesem Jahr ist die Zahl der Abschiebungen aus der EU um ein Viertel gestiegen. Auch der Druck auf einzelne Länder wie Serbien, Visa für Bürger befreundeter Drittländer wie Tunesien, Kuba, Indien usw. einzuführen, hat zugenommen, da die Einwohner dieser Länder die Vorteile der Visumfreiheit mit Serbien nutzten, um illegal in eines der EU-Länder einzureisen, wo ihre Spuren üblicherweise verloren gehen.

Es werden bereits neue Regelungen zur Rückübernahme angekündigt, um diese "Illegalen" in die Balkanländer abzuschieben, von denen aus sie unbefugt in die Europäische Union gelangten.

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