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Gegen die russische Schwarzmeerflotte: NATO-Staaten wollen der Ukraine Antischiffsraketen liefern

NATO-Staaten wollen Kiew moderne Schiffsabwehrraketen liefern. Auch wenn aus Kiew und Washington widersprüchliche Aussagen kommen, scheint das Ziel eindeutig: Es geht um die Versenkung der Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte.
Gegen die russische Schwarzmeerflotte: NATO-Staaten wollen der Ukraine Antischiffsraketen liefernQuelle: Gettyimages.ru © Stocktrek Images

von Maria Müller

Reuters veröffentlichte am 19. Mai einen Bericht, wonach die NATO-Staaten daran arbeiten würden, hochmoderne Schiffsabwehrraketen an die Ukraine zu liefern. Kurz darauf erklärte ein Beamter in Kiew, die Vereinigten Staaten würden planen, die russische Schwarzmeerflotte zu versenken.

Der Berater des ukrainischen Innenministeriums Anton Geraschtschenko schrieb auf Twitter:

"Die USA bereiten einen Plan zur Zerstörung der (russischen) Schwarzmeerflotte in ukrainischen Häfen vor. Lieferungen mächtiger Schiffsabwehrwaffen werden diskutiert."

Geraschtschenko zitierte den Reuters-Bericht über Washingtons Bemühungen, Harpoon-Seezielflugkörper (von Boeing) sowie norwegische Naval Strike Missiles in die Ukraine zu schicken. Die Harpoon haben eine Reichweite von etwa bis zu 300 km und kosten jeweils 1,5 Millionen Dollar. 

Aktuell wird der technische Transfer der Waffen vorbereitet

Drei US-Beamte und zwei Informanten aus dem Kongress teilten Reuters mit, dass man im Weißen Haus die Einzelheiten für den Versand der modernen Waffen in die Ukraine ausarbeite. Logistische Probleme und die Möglichkeit, dass die USA möglicherweise eine Startvorrichtung von einem ihrer Schiffe abbauen müssten, um sie in die Ukraine zu schicken, sind derzeitige Hindernisse für den Abschluss des Transfers.

Laut Reuters hätten US-Beamte und Informanten aus dem Kongress Hindernisse für den Versand von leistungsstärkeren Waffen mit größerer Reichweite in die Ukraine angeführt. Dazu zählten langwierige Schulungsanforderungen, Schwierigkeiten bei der Wartung der Ausrüstung oder Bedenken, dass US-Waffen von russischen Streitkräften erbeutet werden könnten. Man fürchte auch eine Eskalation.

Es gebe Bedenken, dass stärkere Waffen, die russische Kriegsschiffe versenken könnten, den Konflikt verschärfen würden. Auf eine Frage von Newsweek bestätigte das US-Außenministerium nicht, dass es an einem Plan zur Auslöschung der russischen Flotte arbeite. Ein Sprecher erklärte:

"So wie sich der Konflikt ändert, ändert sich auch unsere Militärhilfe, da die russischen Streitkräfte eine erneute Offensive in der Ostukraine starten."

Es gehe darum, der Ukraine die "kritischen Fähigkeiten" zur Verfügung zu stellen, die die Ukraine für den heutigen Kampf benötige. Das US-Verteidigungsministerium wies die Behauptungen des ukrainischen Beamten jedoch entschieden zurück. Pentagon-Sprecher John Kirby sagte am Donnerstagnachmittag gegenüber Reportern:

"Ich kann Ihnen definitiv sagen, dass das nicht stimmt."

Das ambivalente Dementi des Pentagon bezog sich jedoch nur auf die Behauptung des ukrainischen Beamten, dass die Vereinigten Staaten dabei helfen würden, die Schwarzmeerflotte zu versenken, und bezog sich nicht auf den geplanten Transfer von Schiffsabwehrwaffen.

Die USA schicken die Europäer vor

Reuters liefert in seinem Artikel weitere Details: Man diskutiere noch, die Raketen entweder direkt von den USA in die Ukraine zu liefern oder indirekt durch einen Transfer über einen europäischen Verbündeten, der über die Raketen verfügt. Ungefähr fünf NATO-Länder in Europa seien angeblich bereit, ihre "Harpoon"-Raketen in die Ukraine zu schicken.

Allerdings möchte offenbar keine Nation die erste oder einzige sein, die dies tut – aus Angst vor Repressalien aus Russland, wenn tatsächlich ein russisches Schiff mit einer Rakete aus dieser Lieferung versenkt wird. Ein ungenanntes Land würde erwägen, als erstes diese Raketen an die Ukraine zu liefern. Sobald sich diese "gut bestückte" Nation verpflichtet, Harpoon-Raketen zu schicken, könnten andere NATO-Länder wohl folgen.

Doch mehrere Probleme müssten zuvor gelöst werden. Zum einen stehen nur eine begrenzte Anzahl von Plattformen zur Verfügung, um diese Waffe von der Küste abzufeuern – da es sich hauptsächlich um eine seegestützte Rakete handelt. Eventuell werde man eine Startvorrichtung von einem US-Schiff abbauen.

Andere Raketen wären schneller einsatzfähig

Die andere Raketenoption gegen russische Kriegsschiffe seien die Naval Strike Missile (NSM). Dieser Waffentyp kann von der ukrainischen Küste aus gestartet werden und hat eine Reichweite von 250 km. Die Schulung dauere dauert auch weniger als 14 Tage, um mit der Rakete umgehen zu können. Naval-Strike-Raketen würden im Vergleich zur Harpoon als logistisch weniger schwierig angesehen, weil NATO-Verbündete dafür verfügbare mobile Startrampen und Sprengköpfe aus Norwegen ausleihen könnten.

Die USA versuchen, auch für die NSM-Raketen einen Weg von den europäischen Verbündeten in die Ukraine zu finden. Eine weitere Option wäre, dass Norwegen selbst die NSMs an die Ukraine spendet. Diese Idee wird von norwegischen Parlamentsabgeordneten unterstützt. Das norwegische Verteidigungsministerium lehnte es allerdings ab, sich dazu zu äußern, welche zusätzlichen Waffen- und Verteidigungsgüterlieferungen es der Ukraine anbieten könnte.

Im April hatte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij an Portugal appelliert, das ukrainische Militär mit solchen Waffen zu versorgen. Vor zwei Tagen hat nun endlich Dänemark die Lieferung solcher Raketen zugesagt. Pentagon-Chef Lloyd Austin dankte der dänischen Regierung vor der Presse für ihre Bereitschaft, Harpoon-Abschussvorrichtungen und die Flugkörper zur Schiffsabwehr an die Ukraine zu liefern.

Ein neues Eskalationsnarrativ

Der ukrainische Sicherheitsberater Geraschtschenko sagte, Angriffe damit würden dazu beitragen, die ukrainischen Häfen wieder öffnen zu können. Russland kontrolliert derzeit das Schwarze Meer und meldete, die Schiffsliegeplätze könnten jedoch nicht verlassen werden, weil das gesamte Gebiet von den ukrainischen Militärs vermint worden sei. Das ist auch der Grund, warum Getreideschiffe nicht auf hohe See gelangen können. Die Situation ist für diese Schiffe sehr gefährlich.

Die Vereinten Nationen haben eine Lockerung der Beschränkungen auf See allerdings lediglich einseitig, also nur von Russland gefordert, damit angeblich so die Nahrungsmittelexporte aus der Ukraine dazu beitragen können, die weltweite Lebensmittelknappheit zu lindern.

Moskau hatte bereits eine diplomatische Lösung für die Schwarzmeer-Konfrontation angeboten. Das russische Außenministerium sagte, das Problem reiche über eine Blockierung aus Sicherheitsgründen durchaus hinaus, denn es schließe westliche Sanktionen ein, die den Export von russischem Getreide und Düngemitteln definitiv einschränken. Aus dem russischen Ministerium hieß es:

"Es reicht nicht aus, einfach nur an die Russische Föderation zu appellieren. Man muss auch den ganzen Komplex von Gründen, die die aktuelle Nahrungsmittelkrise verursacht haben, gründlich analysieren. Die Sanktionen beeinträchtigen den normalen Freihandel und betreffen Lebensmittel wie Weizen, Düngemittel und andere Güter."

Die verminten Schwarzmeerhäfen

In sieben Häfen (Cherson, Nikolajew, Tschjornomorsk, Otschakow, Odessa, Jushnij und Mariupol) sind 75 Schiffe aus 17 Ländern blockiert. Sowohl die Gefahr von Bomben als auch die große Minengefahr, die Kiew in Binnengewässern und im Küstenmeer geschaffen hatte, hindern Schiffe jetzt daran auszulaufen. Das verstößt auch gegen das Kriegsrecht. Heute treiben vagabundierende Minen im Schwarzen Meer in Richtung Türkei. Sie stellen wie für die militärische auch für die gesamte zivile Schifffahrt im Schwarzen Meer eine extreme Gefahr dar.

Die russischen Militärs arbeiten seit mehreren Wochen daran, die Küstengewässer und die Häfen von den Minen zu befreien, damit die blockierten Handelsschiffe wieder ausfahren können. Inzwischen konnten sie eine maritime Zone freilegen, die eine geschützte Schiffsausfahrt ermöglicht.

Westen wie auch UN-Generalsekretär verschweigen den humanitären Schiffskorridor

Die russischen Streitkräfte öffnen seit Längerem täglich von 08:00 bis 19:00 Uhr (Moskauer Zeit) einen humanitären Korridor in Form einer sicheren Verkehrsroute für Schiffe, die vom Küstenmeer der Ukraine nach Südwesten fahren wollen. Er ist 80 Seemeilen lang und 3 Meilen breit. Detaillierte Informationen über den Betrieb des maritimen humanitären Korridors werden täglich alle 15 Minuten per Radio (Seefunk) auf internationalen Funkkanälen in englischer und russischer Sprache ausgestrahlt.  

Dennoch vermeiden die Kiewer Behörden weiterhin die Zusammenarbeit mit Vertretern ausländischer Staaten und Reedereien in der Frage der sicheren Ausfahrt blockierter Schiffe, betonte eine russische Nachrichtenagentur. Auf diese Weise wird für die Öffentlichkeit und von der internationalen Presse ein völlig einseitiges Bild verbreitet. Die Tatsache, dass es täglich einen funktionierenden maritimen Korridor gibt, wird gänzlich verschwiegen.

Stattdessen beschuldigt man Moskau, es würde zahlreiche mit Weizen gefüllte Schiffe absichtlich und gezielt an der Ausfahrt hindern, um eine weltweite Hungersnot zu provozieren. Auch von den verminten Häfen wird hingegen kein Wort vermeldet. So läuft die nächste große Propagandakampagne gegen Russland an – diesmal soll Russland die Schuld für eine weltweite Lebensmittelknappheit zugeschoben werden. Diese Behauptungen wiederum könnten als "humanitär" getarnte Rechtfertigung für eine Eskalation gegen die russische Schwarzmeerflotte dienen – nach bekanntem Muster. Irgendwann wird die NATO dann aber doch Kriegsteilnehmer werden.

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